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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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eigentlich?«, fragte Thomas.
    Â»Ich vermittle Antiquitäten an einen Londoner Händler.«
    Â»Aha, Kollege.«
    Es klingelte, und Michael ging zur Sprechanlage, um den Kopf für den
Türöffner zu drücken. Das konnte nur Serafina sein. Am Sonntag kamen weder der
Postbote noch Signora Fenelli, und außer denen gab es niemanden, der bei ihm
klingeln würde.
    Â»Das ist Serafina, meine Nachbarin«, stellte Michael vor, »und das
sind Thomas und Bernd, meine Freunde«, als Serafina in der Küchentür stand und
sich erstaunt umsah, weil sie nicht mit Menschen gerechnet hatte. Das war das
erste Mal in Jahren, dass sie Michael und Minou nicht allein antraf, sondern in
Gesellschaft. Und dass Minou auf Thomas’ Schoß lag, zur Begrüßung nur eine Art
Piepslaut von sich gab und gähnte, war erst recht verblüffend.
    Â»Sie müssen ein Zauberer sein«, sagte Serafina, »das ist die
vorsichtigste Katze der Welt, und sie liegt einfach so auf Ihrem Schoß.«
    Â»Ich kann eigentlich nur Ampeln auf Grün zaubern«, antwortete
Thomas, »und auch das braucht manchmal ein bisschen Geduld.«
    Â»Trinkst du was mit uns?«, fragte Michael und hielt Serafina ein
Glas hin. Sie nickte, setzte sich, und er schenkte ihr ein.
    Mit Bernd war eine frappierende Veränderung vor sich gegangen: Er
strahlte auf einmal und fragte Serafina alles Mögliche, ob sie hier geboren
sei, wo sie herkomme, seit wann sie hier sei, ob sie hier beruflich engangiert
sei und so weiter. Er schien sie mit den Augen fressen zu wollen, was sie mit
amüsierter und skeptischer Freundlichkeit hinnahm. Thomas war dagegen wie
abgeschaltet oder eher wie auf Stand-by, er verschwand quasi in seinem Inneren,
und hätte nicht Minou auf seinem Schoß gelegen, die immer lauter schnurrte und
so auf ihre (und seine) Anwesenheit aufmerksam machte, dann hätte man ihn
übersehen können.
    ~
    Der kleine Ruhm der Nachtigallen im Internat und näheren
Umkreis hatte es ihnen leicht gemacht, vom weiblichen Teil der Menschheit
wahrgenommen zu werden. Die normalen Verletzungen junger Männer, das
Ignoriertwerden, Zurückgewiesenwerden, die übliche kalte Schulter, all das
blieb ihnen erspart, und sie fühlten sich umschwärmt und im Mittelpunkt des Augenmerks
der Mädchen.
    Natürlich nahmen sie dieses Geschenk des Schicksals alle vier mit
zwar scheinbarem Gleichmut, aber in Wahrheit großer Freude an, doch es wirkte
in verschiedener Weise auf sie. Thomas nahm nach den ersten Liebeleien und
Eroberungen eine Art von Gelassenheit an, die eines viel älteren und reiferen
Mannes würdig gewesen wäre, er hatte bald eine feste Freundin, die er anzubeten
schien und nie betrog, und zeigte gegenüber Versuchungen und Flirtangeboten ein
generöses Desinteresse. Wagner hatte aus seiner mürrischen Attitüde eine Art
Charme destilliert, der ihn interessant und abgründig zugleich erscheinen ließ,
er lebte den Begriff »serielle Monogamie«, bevor dieser in Mode kam, hatte ständig
neue Freundinnen, machte aber immer Schluss, bevor er sie hintergehen konnte. Michael,
dessen Schüchternheit nicht mehr als solche erkannt wurde, seit er auf der
Bühne stand, wirkte zurückhaltend und höflich, man hielt ihn deshalb für einen
guten Zuhörer und irgendwie »tiefen« Menschen, und aus diesem Grund traten ihm
Frauen vertrauensvoll und mit gelegentlichem Beschützerinstinkt entgegen. Er
ließ es geschehen, ließ sich treiben und schon damals nehmen und verlassen, wie
es eben kam.
    Und Bernd hatte sich sehr bald zum Don Juan entwickelt, der auf
nichts und niemanden Rücksicht nahm und deshalb nicht nur einmal Schläge oder
zumindest Drohungen einsammelte. In Gegenwart von Frauen drehte er hoch, zog
alle Aufmerksamkeit, vor allem die der gerade zu Erobernden, auf sich und war
zu nichts mehr zu gebrauchen. Er grub auch die Freundinnen seiner Freunde an
und war sich dann keiner Schuld bewusst, wenn man ihn zur Rede stellte.
    Dabei verliebte er sich nie wirklich, jedenfalls nicht so, dass er
am eigenen Leibe hätte erfahren können, wie weh es tut, betrogen zu werden –
Eifersucht kannte er nur als etwas Lästiges, mit dem man ihn behelligte, nicht
als Schmerz, den er selbst je zu spüren bekommen hätte. Von Thomas wurde er
einmal »Liebeslegastheniker« genannt, und diese Bezeichnung traf es ziemlich
gut. Bernd war ein Jäger und

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