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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Bauzeit«, sagte Bernd.
    Â»Nein«, sagte Michael, »die Treppe ist Renaissance, aber das
Geländer aus dem 18. Jahrhundert. Wurde neu gemacht, als ein napoleonischer
Beamter hier einzog.«
    Â»Sieht sogar ein bisschen franzosenmäßig aus«, sagte Bernd.
    Michael zeigte ihnen die Gästezimmer und ging nach oben, wo er eine
Flasche Meursault öffnete und Gläser, ein bisschen Brot, Oliven, Nüsse und Käse
auf den Tisch stellte, während sich Bernd und Thomas unten einrichteten. Er
freute sich über die offensichtliche und offenherzige Begeisterung der beiden,
darüber, dass Thomas sich als so kunstsinnig erwies, über sein Lob, das über
Bande (Ian) an Michael adressiert gewesen war – er freute sich, dass die beiden
da waren.
    ~
    Â»Man möchte unter sich lassen vor Behagen«, sagte Bernd,
als er mit Thomas in der Tür stand, »der Salon ist ja noch so ein Hammer.«
    Â»Hier gibt’s nur Hämmer«, sagte Thomas, »hab ich so langsam den
Eindruck.«
    Als er ohne Umstände nach der Weinflasche griff und sich
einschenkte, erschrak Michael und dachte, jetzt besäuft er sich wieder so zügig
wie auf der Beerdigung, aber Thomas goss das Glas nur halb voll und nahm einen
kleinen Schluck. Dann schenkte er Michael und Bernd ein und hob sein Glas. »Wie
sagt der Italiener? Cin cin?«
    Â»Wäre möglich«, sagte Michael.
    Â»Cheers, auf den Hausherrn«, sagte Bernd.
    Â»Schön, dass ihr da seid«, sagte Michael. »Wagner kommt kurz nach
sieben. Wenn’s euch recht ist, essen wir dann, ich hab hier zum Durchhalten ein
bisschen Kleinzeug aufgefahren, okay?«
    Â»Klar«, sagte Bernd, und Thomas nickte und nahm sich ein Stückchen
Pecorino.
    Erst jetzt fiel Michael ein, dass er Minus noch nicht gesehen hatte.
Das Schälchen mit Wasser war ein wenig leerer als am Morgen, und das
Trockenfutter hatte auch abgenommen, aber er war so lange weg gewesen, dass
Minus eigentlich im Treppenhaus hätte warten müssen. Das war Tradition.
    Aber vielleicht hatte sie die fremden Stimmen gehört und sich
versteckt. Das kannte sie nicht. Hier war niemals irgendwer außer Michael und
Serafina und natürlich Signora Fenelli, um die Minus jedoch immer einen Bogen
machte – schließlich war diese Frau mit dem Staubsauger unterwegs, und der war
in Minus’ Augen ein (möglicherweise katzenfressendes) Ungeheuer. Sie trafen
aber ohnehin nur in Ausnahmefällen aufeinander, da Signora Fenelli unter der
Woche kam und Minus fast nur an den Wochenenden.
    Michael überließ seine Gäste ihrem Imbiss und suchte das Haus nach
Minus ab, aber erst im obersten Stock fand er sie, im Studio auf seinem Sessel
zusammengerollt – sie gurrte ihm freundlich entgegen.
    Â»Du kannst ruhig runterkommen«, sagte er, während er sie mit zwei
Fingern zwischen den Ohren streichelte, »die sind okay. Und du stehst sowieso
unter meinem besonderen Schutz. Ich lasse nicht zu, dass einer dich schräg
anmacht.« Aber sie wollte nicht aufstehen. Sie streckte sich und legte sich
wieder hin. »Na gut«, sagte Michael und spürte sein Kreuz beim Aufstehen,
»bleibst du halt hier, bis die schöne Frau dich holen kommt.«
    Nicht viel später tauchte sie doch in der Küche auf. Vorsichtshalber
sprang sie zuerst auf die Theke, um auf Augenhöhe mit eventuellen Gegnern zu
sein, und tat so, als interessiere sie sich nicht für die Besucher. Aber die
interessierten sich für sie.
    Â»Darf ich vorstellen«, sagte Michael, »das ist Minus alias Minou,
mein regelmäßiger Wochenendgast.«
    Â»Salve, gatto«, sagte Bernd, und »Hallo, Taschentiger«, sagte
Thomas, und Minus sprang auf den Tisch, kletterte auf Thomas’ Schoß und
kringelte sich ein, worauf er sie, wie Michael vor wenigen Minuten, zwischen
den Ohren kraulte.
    Â»Das ist bemerkenswert«, sagte Michael, »du hast Charisma.«
    Â»Wenigstens das«, sagte Thomas, und es klang, vermutlich
unbeabsichtigt, ein bisschen resigniert.
    Bernd fing an, von den Eichen-, Erlen- und Lärchenpfählen zu
erzählen, auf denen Venedig erbaut ist, erklärte, warum sie nicht verrotten
konnten und welch grandiose Ingenieurleistung hier schon im Mittelalter gewirkt
habe – er kannte sich erstaunlich gut aus für jemanden, der erst gestern
hierher eingeladen worden und davor nur einmal hier gewesen war. Minus
schnurrte.
    Â»Wovon lebst du

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