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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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lockern, dass sogar Thomas aus seiner
schweigsamen Grübelei aufgetaucht war und sich mit Charme und Humor am Gespräch
beteiligte, das mal hierhin und mal dorthin schweifte, von den Kirchen, die
Michael seinen Freunden zeigen wollte, zur Dogenrepublik, von den Millionen
Pfählen unter der Stadt, die Bernd so faszinierten, zum Mose-Projekt, das dem
Hochwasser in Zukunft den Weg in die Lagune versperren sollte, von Hemingway zu
dem Maler Bellini und von diesem zum nach ihm benannten Cocktail, der angeblich
in Harry’s Bar erfunden worden war – der Abend floss dahin wie Musik von
Vivaldi: ohne große Effekte oder Höhen und Tiefen, im Plauderton, aber ohne
kaschierte Langeweile.
    Nur einmal, ganz am Anfang, als Michael nichts vom Coq au Vin haben
wollte, mischte sich Ärger in die Atemluft, weil Wagner meinte, ein Gespräch
über Massentierhaltung und Schlachthöfe anfangen zu müssen.
    Â»Ich ess ja auch kaum noch Fleisch«, sagte er und schob sich dabei
ein Stück Hähnchen in den Mund.
    Â»Das darf jeder machen, wie er will«, sagte Michael und hoffte, das
Thema sei damit vom Tisch, aber Wagner breitete sich aus mit alarmierenden
Statistiken über die ökologischen Folgen hypertrophen Fleischverbrauchs und
detailreichen Schilderungen des Elends der Tiere, bis Michael ihn bitten
musste, damit aufzuhören.
    Â»Ich esse kein Fleisch, weil ich genau daran nicht jedes Mal denken
will«, hatte er gesagt, »sei so nett, und dräng mir das Thema nicht auf. Es
graust mich. Es tut mir weh.«
    Danach war konsterniertes Schweigen eingetreten, denn Mitleid mit
Tieren ist, zumindest unter Männern, etwas eher Peinliches. Mit ökologischen
Argumenten dagegen macht man sich nicht zum Idioten.
    Michael lag es fern zu missionieren, er verzichtete nicht
demonstrativ auf Fleisch, er ließ es einfach nur links liegen, weil er weniger
an dem großen Blutbad beteiligt sein wollte. Er sah dies als seine Privatsache
an und ärgerte sich darüber, dass Wagner es zur politischen Aktion aufblies und
als Anlass für Geschwätz missbrauchte.
    Â»Ich bin Französin«, flüsterte Serafina, »ich muss alles essen, was
Beine hat, sonst werde ich expatriiert.«
    Â»Dann hätten wir da noch einen hübschen Stuhl«, bot Thomas an, »den
könnte man frittieren.«
    Â»Bin satt«, sagte Serafina und lachte.
    Michael stand auf und fragte: »Seid ihr schon blau, oder habt ihr
noch Geschmacksnerven für einen richtig guten Rotwein?«
    Â»Das würde sich doch nicht ausschließen«, fand Thomas.
    Â»Immer«, sagte Bernd, und Wagner gab zu bedenken, dass fünf Leute
von zwei Flaschen Wein nicht blau werden konnten.
    Â»Stimmt eigentlich«, pflichtete Michael ihm bei und schenkte den
Paulliac, den er schon vor drei Stunden geöffnet hatte, in die bauchigen
Gläser, die Serafina inzwischen aus dem Schrank geholt und auf den Tisch
gestellt hatte.
    Minou lag die ganze Zeit auf Thomas’ Schoß und machte keine
Anstalten, sich nach anderswo zu orientieren.
    ~
    Â»Ich müsste eigentlich mal wohin«, sagte Thomas
irgendwann, als auch der Paulliac leer war und Michael die beiden Fenster
geöffnet hatte, um den Zigarren- und Zigarettenrauch loszuwerden, der
inzwischen die Küche vernebelte.
    Â»Tja, geht nicht, Katze schläft«, sagte Bernd.
    Â»Du wolltest dich doch würdig erweisen«, sagte Michael.
    Serafina stand auf und beugte sich zu Minou, nahm sie behutsam hoch
und sagte: »Danke für den angenehmen Abend.«
    Â»Gleichfalls«, tönte es ihr entgegen, und sie ging, die schläfrige
Katze auf den Armen, von Michael begleitet, nach unten.
    Â»Nette Freunde hast du«, sagte sie und küsste Michael zum Abschied
auf den Mund, wie sie es immer tat, wenn ihr Mann es nicht sehen konnte.
    Â»Sie sind alle in dich verliebt«, sagte Michael.
    Â»Einer ganz bestimmt.« Serafina lachte.
    Â»Du meinst hoffentlich mich damit.«
    Â»Eigentlich nicht, aber es ist nett, dass du versuchst, so zu tun.«
    Â»Buona notte«, sagte Michael.
    Â»Grosses bises«, sagte Serafina und ging nach nebenan.
    ~
    Â»Nette Frau«, sagte Thomas, als Michael wieder oben war
und die Fenster schloss.
    Â»Der Hammer«, sagte Bernd.
    Â»Eine Schönheit«, ergänzte Wagner, »die erinnert mich an Corinna.«
    Â»In meinen Glas staubt’s schon wieder«, klagte Thomas und hob es
demonstrativ hoch. Michael

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