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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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can call
me Al , und Michael sang leise: If you be my
bodyguard, I can be your long lost pal … Das folgende Riff sangen sie
schon dreistimmig, hörten aber sofort wieder damit auf, als sie bemerkten, dass
die Leute von drinnen zu ihnen herausstarrten und zwei Studenten mit großen
Zeichenmappen auf ihrem Weg zur Kunsthochschule stehen geblieben waren.
    Sie lächelten alle vier in sich hinein und schwiegen, bis Thomas
sagte: »Als Straßenmusiker kämen wir jederzeit über die Runden.«
    Â»Wir sind jedenfalls nicht so eingerostet, wie wir eigentlich sein
müssten«, fand Wagner, und Bernd bemerkte: »Alte Liebe rostet nicht.«
    Â»Damit ist aber die Liebe zur Musik gemeint«, sagte Michael.
    Â»Bei dir krieg ich keinen hoch«, sagte Bernd, »musst dich nicht
fürchten.«
    Â»Es gibt auch Liebe ohne Ständer.«
    Â»Bei Impotenten?« Bernd grinste breit und deklamierte: »Ich habe sie
im Stehn gefickt, im Sitzen und im Liegen, und wenn ich mal ein Englein bin,
dann fick ich sie im Fliegen.«
    Â»Poesie«, sagte Thomas, »wie schön.«
    Wagner fand, es sei ein Wunder, dass Bernd noch kein Englein sei,
bei all den eifersüchtigen Männern, die hinter ihm her sein müssten.
    Â»Der wahre Könner verbirgt seine Meisterschaft«, sagte Bernd, »vor
allem vor denen, die nicht das Glück haben, seiner Gabe teilhaftig zu werden.«
    Â»Aber die Meisterschaft im Anbaggern verbirgst du nicht gerade«,
sagte Michael, »das hätte doch eigentlich schon für die eine oder andere
Maulschelle reichen müssen«, und er empfand einen kleinen Stich, als ihm sein
Traum einfiel.
    Â»Themawechsel«, diktierte Bernd, »der Gentleman genießt und
schweigt.«
    Â»Der Gentleman vergreift sich nicht an ander Leuts Frau«, sagte
Thomas.
    Â»Dieser hier schon.« Bernd deutete auf sich selbst.
    Ein Spatz flog auf den Tisch und holte sich einen der Krümel, die
von Wagners Brioche übrig geblieben waren. Er verspeiste ihn gleich an Ort und
Stelle und pickte den nächsten auf. Michael sah, dass Bernd lächelte und still
sitzen blieb, Wagner lächelte auch und beugte sich ein wenig vor, als wolle er
dem Spatz etwas von dem Reichtum auf der Tischplatte zuschieben, aber Thomas
schaute der Szene ohne jede Bewegung zu. Das befremdete Michael. Er betrachtete
Rührung beim Anblick von Tieren als Zeichen von Seele.
    Inzwischen hatten sich noch drei Spatzen dazugesellt und stritten
sich um die besten Stücke, was dazu führte, dass sie einander wechselseitig in
die Flucht schlugen und mit weniger Beute weiterzogen.
    ~
    Auf der Holzbrücke murmelte Bernd wieder sein Mantra »der
Hammer«, während Thomas stumm und glücklich zuerst den Blick kanalaufwärts in
Richtung Ca’ Foscari und dann auf Salute und San Marco auf sich wirken ließ.
Wagner lehnte am Brückengeländer und schrieb eine SMS .
    Michael ermahnte sich, nicht von Wagner etwas zu erwarten, das
diesem offenbar nicht gegeben war, aber er musste schon wieder einen scharfen
Schwall Ärger schlucken, als Wagner, den Blick auf die Bohlen der Brücke
gerichtet, weiterging, ohne sich um die anderen zu kümmern, die noch standen
und schauten.
    Vor der ehemaligen Kirche am Eingang zum Campo San Stefano hatten
sich schon drei afrikanische Taschenverkäufer aufgebaut und bedrängten jeden
mit Angeboten, der den Fehler machte, einen Blick auf die Ware zu werfen.
Unhöflichkeit war die einzige Rettung, man konnte nur stur den Kopf schütteln
und zügigen Schritts weitereilen, wenn man vermeiden wollte, zumindest den
halben Weg bis zur Platzmitte verfolgt und mit dem Ausrufen immer weiter
gesenkter Preise traktiert zu werden.
    Einer der Verkäufer hatte sich an Bernd geheftet und ließ nur
deshalb schließlich von ihm ab, weil eine Gruppe Chinesen auf die ehemalige
Kirche zusteuerte und ein lohnenderes Ziel abgab.
    Michael las nebenbei Wagners Gedanken und amüsierte sich über den
Widerspruch, dem dieser nicht entkam. Einerseits war das Konsum, etwas ganz
Verachtungswürdiges, andererseits aber auch Dritte Welt und damit eigentlich zu
unterstützen, dritterseits hatten all die Taschen Logos bekannter Marken – das
war erst recht abscheulich –, aber vierterseits schlug man der Industrie mit
einer Fälschung doch auch irgendwie ein Schnippchen und wäre es ein Schnäppchen
und dazu noch Ironie. Nur die Tatsache, dass zu

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