Vier auf dem Laufsteg
Tisch saßen. Beide waren blond, blauäugig und schienen sich im Kreis ihrer Freunde ausgesprochen wohlzufühlen.
»Wer sind denn die beiden?«, zischte sie Tom ins Ohr. »Warum hat mir keiner von denen erzählt? Die sehen ja aus wie das Ergebnis von einem arischen Zuchtversuch.«
»Sollen wir den Wein streichen und dir gleich ein Schälchen mit Milch bestellen?«, flüsterte Tom zurück. Er beugte sich vor und räusperte sich. »Cassie, James, das ist Laura, meine Freundin. Laura, das hier sind Cassie und James, wir haben sie letzten Monat beim Camera-Obscura-Konzert kennengelernt.«
»Mann, das war vielleicht komisch«, mischte sich Jen ein. »Die komplette Garderobe ist zusammengebrochen und alle haben in diesem riesigen Klamottenhaufen auf dem Fußboden herumgewühlt und Cassie hatte genau die gleiche Jacke wie ich. Die grüne von New Look, und dann hat sie mich durch die halbe Stadt verfolgt, bis sie ihre Jacke wiedergekriegt hat und ich meine.«
»Äh, hi. Hm, guter Jackengeschmack.« Laura wusste nie, was sie sagen sollte, wenn sie neue Leute kennenlernte. Candy gurrte in solchen Situationen meistens: Boah, deine Schuhe sind ja süß! , aber Laura konnte Cassies Füße durch die Tischplatte hindurch schlecht sehen.
»Du bist also die berühmte Laura?«, sagte Cassie, und Laura entging keineswegs die selbstzufriedene Art, mit der sie sich durch ihre glänzende blonde Shampoowerbung-Mähne strich. Als wollte sie sagen: Du bist vielleicht ein Model, aber ich bin trotzdem viel hübscher . »Wir haben dich in dieser TV-SHOW gesehen.«
»Hallo«, sagte ihr Freund, genauer gesagt, er grunzte es und unterhielt sich dann nahtlos weiter mit Dan über Fußball.
»Cassie arbeitet in einer total süßen kleinen Boutique und seitdem kriegen wir da alle Prozente«, erklärte Chandra und wedelte mit der Speisekarte. »Können wir jetzt endlich bestellen? Der Kellner wird schon ganz unruhig.«
Cassie war vielleicht das Mädchen, das allen Prozente in einer süßen kleinen Boutique verschaffte, aber sie war auch eine Zicke allererster Klasse, das war Laura sofort klar.
Manchmal hatte sie das Gefühl, dass sie eine Art Radarantenne hatte, die ihr sofort anzeigte, wenn jemand Zickenausstrahlung hatte.
Na, wenigstens hatte Cassie einen Freund, sonst wäre Laura ernsthaft besorgt wegen Tom gewesen. Also nicht wegen Tom, sondern eher wegen seiner unmittelbaren Nähe zu diesem beutegierigen Zuckerpüppchen mit der blonden Mähne und dem glitzernden Lidschatten.
»Und wie lange seid ihr schon zusammen?« Laura gab sich interessiert. »Sieht ja ziemlich ernsthaft aus.«
Die Frage war eigentlich eher harmlos, deswegen konnte sie gar nicht verstehen, warum alle kicherten und sich auf die Schenkel klatschten, als hätte sie sich in den letzten zwei Monaten zur Comedy-Königin gemausert.
»Oh Maaaaann! Cassie und James sind Geschwister! Zwillinge, du Dussel!«, rang sich Jen ab, obwohl sie vor Lachen fast erstickte.
Die waren Zwillinge und sie war ein Dussel? Na, schließlich hatte sich Laura den Platz im Mutterbauch nicht mit jemand anderem teilen müssen!
»Wie bescheuert von mir.« Laura schmiegte sich an Tom, um ihm zu signalisieren, dass er sich demnächst ruhig mal wieder einkriegen könnte.
Cassie lächelte etwas säuerlich, weil sie es wohl ätzend fand, dass jemand annehmen konnte, sie wäre mit ihrem Bruder zusammen.
»Schon gut«, sagte sie und richtete Messer und Gabel wieder gerade. »Passiert andauernd. Stimmt’s, Tom?«
Toms Heiterkeit stieg sofort wieder, aber er machte keine Anstalten, die Bemerkung zu erklären. Vor Lauras innerem Auge spulten sich blitzschnell alle möglichen und unmöglichen Szenarien ab, bis Cath ihr zu Hilfe kam, weil sie offenbar Lauras Stresssignale aufgefangen hatte.
»Können wir jetzt endlich bestellen, bevor ich anfange, das Tischtuch zu essen?«, jammerte sie mit etwas zu viel Wimpernklimpern, um glaubwürdig zu sein, aber es wirkte. Die nächsten paar Minuten vergingen mit auf- und zuklappenden Speisekarten und Diskussionen, wie viel extra scharfe Pommes sie brauchten.
Laura atmete auf und bat Tom, ihr Wein nachzuschenken.
»Alles okay?« Er strich mit seiner Fingerspitze über ihren Handrücken. »Ist das genug Action für dich?«
Sie musste lächeln. »Was denkst du denn, was ich in London mache? Die meisten Abende kämpfe ich mit Irina um die Fernbedienung oder mit Holly ums Badezimmer. Das hier ist tausendmal besser, das kannst du mir glauben.«
Tom rückte näher
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