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Vier auf dem Laufsteg

Titel: Vier auf dem Laufsteg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarra Manning
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sie mit ihren Lockenwicklern und einer falschen Wimper, die schräg von einem Lid herunterhing, nur noch einer völlig Verrückten. »Ich werde viel öfter gebucht als du!«
    Das Ganze drohte sich zu einer wahren Sandkastenzankerei zu entwickeln, und Laura überlegte, ob sie jetzt den »Ich hol gleich meinen großen Bruder«-Trumpf ziehen sollte, als jemand nachdrücklich an der Tür hüstelte. Dort stützte sich Snowy auf seinen Stock.
    »Na, na, Liebes«, mahnte er und drohte Irina spielerisch mit dem Zeigefinger, die daraufhin im Handumdrehen in mädchenhaftes Gekicher ausbrach. »Du und dein russisches Temperament. Du bist wirklich eine kleine Zarin, was?«
    »Ich will doch nur schön sein für dich, Snowy«, gurrte sie.
    Laura hätte gern eine Kotztüte gehabt. »Und ist unsere Blume des Nordens jetzt bereit für das Close-up?«
    Irina war eine Zarin und sie eine Blume? Diese Analogie hinkte doch.
    »Ich muss nur noch meine Schuhe anziehen«, sagte sie mit bezauberndem Lächeln.
    » Charmant , meine Liebe«, rief Snowy aus und trat in die Garderobe. »Dreh eine Pirouette für mich.«
    In einer solchen Robe drehte man keine Pirouette. Deshalb vollführte Laura eine majestätische 360-Grad-Drehung und spürte, wie Irinas dolchähnliche Blicke interessante Muster in ihren Rücken schnitten.
    »Atemberaubend«, befand Snowy. »Irina, zurück auf deinen Hocker. Ich bekomme Angst um mein Leben, wenn du so böse schaust.«
    Und als Snowy Laura den Arm bot und sie aus der Garderobe führte, als sei sie eine Debütantin auf dem Weg zu ihrem ersten Walzer, lächelte sie trotz der mörderisch engen Sieben-hundert-Pfund-Schuhe.
    »Oh, ich genieße diese kleinen Dramen hinter den Kulissen«, gestand Snowy mit einem gerissenen Lächeln. »Shootings können sonst so langweilig sein.«
    Erfreulicherweise wurden die Aufnahmen auf der Treppe als Erstes gemacht. Laura musste sich mit ausgebreiteten Armen rückwärts über die vergoldete Balustrade legen, und zwar in einem solchen Bogen, dass ihr fast eine Bandscheibe heraussprang - und dabei auch noch verführerisch aussehen.
    Dann musste sie auf dem Geländer sitzen und so tun, als wären ihre Hände nicht fest um das sahneweiß lackierte Holz geklammert, um nicht in den Tod zu stürzen.
    Ich bin ruhig. Ich bin cool. Ich bin ein Eiswürfel, wiederholte sie ihr Mantra neben Snowys ununterbrochenen Anweisungen.
    Hinter ihm sah sie Zilli und Costello und einen Trupp Lakaien ineinander verschlungen wie die sagenhafte fünfköpfige Bestie, die leise und eindringlich miteinander flüsterten. Sie musste das alles verdrängen und sich konzentrieren. Sie wusste zwar nicht nicht viel von ihr, aber Laura hatte das Gefühl, dass Ava Gardner alles gegeben hätte, selbst wenn plötzlich ein Raumschiff auf das Dach gestürzt wäre.
    Nach einer letzten Aufnahme, bei der sie die Treppe hinunterschweben sollte, »als hättest du deinen großen Auftritt, Liebling - du bist das schönste Mädchen im Saal...«, durfte Laura in einer Fünfminutenpause dankbar durch einen Strohhalm an einer Mineralwasserflasche nuckeln, damit sie auch ja keinen Tropfen auf das Ballkleid schüttete. Das hinderte die Visagistin aber nicht daran, an Lauras Frisur herumzuzupfen und mit einem Pinsel imaginäre Stäubchen wegzuwischen, was Laura zum Niesen reizte.
    Die Anlage gab ein lautes Knacken von sich, das sie fast aus dem Kleid katapultiert hätte, und dann krächzte eine heisere Frauenstimme zu klagenden Trompetenklängen:
    »Southern trees bear strange fruit
    Blood on the leaves and blood on the root...«
     
    »Auf die Tanzfläche, Laura, ich will jetzt ein bisschen mehr Bewegung«, rief Snowy, und Laura ging zu dem X, das mit Klebeband auf dem Parkett angebracht war, bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihre Füße protestierten. Sie wiegte sich sanft zum Rhythmus und achtete darauf, dass ihre Arme nicht steif und leblos herunterhingen. Snowy schien ganz zufrieden damit, bis Irina auf den Set kam. Sie trug ein Abendkleid, das dem von Laura so ähnlich war, dass nicht mal Zilli oder Costello es bei einer Gegenüberstellung hätten identifizieren können.
    Nicht auf den Saum zu treten und die Augen halb geschlossen, aber weit geöffnet zu halten (wenngleich das ziemlich unsinnig war), gehörte nicht zu Lauras besonderen Fähigkeiten. Schon gar nicht, wenn Irina mit den Lichttechnikern einen Lach-Sturm entfesselte und jedes Mal triumphierend fies grinste, wenn Laura in ihr Blickfeld geriet. Ava Gardner

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