Vier auf dem Laufsteg
hätte wahrscheinlich Frank Sinatra und seine Jungs geholt, um Irina den Marsch zu blasen, aber leider war ein Sonnyboy mit Mafia-Verbindungen nie zur Stelle, wenn man ihn brauchte.
Bei der letzten Aufnahme, als Laura sich kunstvoll auf dem Bartresen räkelte, erreichten Irinas Mätzchen ihren Höhepunkt. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Irina auf sie zeigte, dann die Backen aufblies und eine Watschelbewegung andeutete. Warum zum Teufel schmiss niemand dieses Miststück vom Set?
»Bitte gib mir ein Lebenszeichen«, nörgelte Snowy hinter der Kamera. »Du bist die Ballkönigin und kein toter Fisch auf der Servierplatte.«
Irinas Lächeln wurde noch boshafter, und das war genau die Motivation, die Laura brauchte, um die Sache jetzt anzugehen.
»Entschuldigung«, sagte sie leise, und Snowy, lieb und hinterhältig, wie er war, musste jetzt warten, bis sie ihre Nummer richtig draufhatte. Sie dachte an eine Nacht mit Tom und wie sie einmal aufgewacht war und er so zärtlich auf sie runtergeblickt hatte, wie seine Hand ihr das Haar aus dem Gesicht strich und dann …
»Ich bin ganz verrückt nach deinem versteckten Lächeln«, rief Snowy aufgeregt. »Senk die Lider, aber mach die Augen ganz weit auf und dreh dich noch einen Millimeter zu mir um...«
Sie hatten sich stundenlang geküsst, bis die Sonne langsam aufgegangen und die Dunkelheit um sie herum brüchig geworden war. Sie konnte sich noch genau daran erinnern. Und obwohl Tom nicht »Ich liebe dich« gesagt hatte, hatte Laura gewusst, dass er sie liebte.
Sie lächelte bei der Erinnerung und sah nicht den grellen Blitz der Kamera, sondern Toms Gesicht.
»Ist im Kasten! Fünf Minuten, Leute, und dann geht es weiter. Laura, dich brauchen wir in zwei Stunden für den Film-Test.«
Laura ging im größtmöglichen Bogen um Irina herum und rannte in die Garderobe. Jedenfalls lief sie sehr schnell. Nachdem sie vorsichtig die Schuhe ausgezogen hatte, hätte sie fast das Handy in die Hand genommen. Sogar Monate nach der Trennung hatte sie noch immer den Impuls, Tom anzurufen und sich von ihm von der steilen Klippe herunterhelfen zu lassen, an der sie gerade hing. Sie stellte sich vor, wie sich das anhören würde: »Hi, Süßer. Nein, wir haben seit Ewigkeiten nicht miteinander gesprochen, weil ich mit einem anderen im Bett war und du mit einer Elchkuh zusammen bist, aber ich bin gerade bei einem Shooting, das mich echt in die Liga der Supermodels katapultieren könnte, und brauche einen Rat, wie ich mir meine Erzfeindin vom Leib halten kann.«
Nein, das ging natürlich gar nicht.
Ein Teil von ihr hätte sich gern in dem düsteren Ballsaal herumgedrückt, um Irina in Action zu sehen, aber dann würde sie entweder Minderwertigkeitskomplexe kriegen, oder Irina würde es auf eine üble Weise so drehen, dass Laura Ärger bekam, weil sie angeblich störte.
Ihr iPod war ihre Rettung.
Laura wählte willkürlich einen Mix aus und erkannte überrascht, dass es ihr Supermodel -Mix war. Sie hatte diese Lieder damals in der Dockland-Wohnung in Dauer-Rotation gehört. Sie war vor dem Spiegel herumgetanzt, hatte sich Luftküsse zugeworfen und ihr Spiegelbild geliebt, verblendetes, narzisstisches kleines Biest, das sie damals war. Oh, wenn sie doch nur einen Bruchteil ihres damaligen Selbstbewusstseins heraufbeschwören könnte …
Es war Zeit, wieder ins Spiel einzusteigen.
»Ich will es«, flüsterte sie unhörbar. »Ich will es mehr als alles andere, das ich mir jemals gewünscht habe. Ich bekomme immer - na ja, meistens -, was ich will. Irina kann einpacken.«
Wiederholen und abblenden.
Als Ted schließlich aus seinem Versteck auftauchte, um Laura zu holen, lächelte sie ihm glückselig zu und schwebte auf den Set zurück.
Diesmal gab es viel mehr Wirbel wegen der Beleuchtung als vorher. Einer von Snowys Assistenten klickte so oft mit dem Belichtungsmesser vor Lauras Gesicht herum, dass sie schon befürchtete, sie würde für den Rest ihres Lebens schielen. Sie arrangierte ihre Röcke über den rosa Samt der Chaiselongue, auf der sie saß, und entspannte sich, indem sie Grimassen schnitt. Das sorgte auch für bessere Stimmung, besonders weil Irina sich nicht die Mühe machte, die Stimme zu senken, während sie Ted erzählte, wie fantastisch sie gewesen war.
»Snowy liebt mich. Er sagt, die Kamera liebt mich. Er muss nie eine Aufnahme wiederholen, weil ich es immer gleich richtig hinkriege.«
Sie hätte eine Lektion in Demut bitter nötig, dachte Laura, als eine der
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