Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)
cool.« Maik nickte.
»Ja. Typisch Christoph«, sagte Selina und wandte sich schnell ab.
»Ich bring ihn mal her.« Maik sprang auf und holte seinen Beutel aus der Satteltasche. Er war schwarz mit goldenem Aufdruck, irgendeine Schuhmarke, die ich nicht kannte.
»Spinnst du?«, rief Selina.
Maik setzte den zugebundenen Beutel vorsichtig zwischen sich und Lena. Er drehte ihn so, dass der Knoten in die Mitte blickte und aussah wie eine viel zu dicke Nase.
»Hey!« Selina stieß ihm die Hand gegen die Schulter. »Spinnst du?«
»Was?«, fragte er. »Willst du nicht neben ihm sitzen?«
»Spinnst du?«, fragte mich Christoph am Goldbach, als ich die tote Forelle mit bloßen Händen aus dem Wasser fischte. »Man darf tote Tiere nicht anfassen.«
»Wer sagt das?«
»Meine Mutter. Wegen dem Leichengift. Da kann man dran sterben.«
»Ich bin noch nie gestorben«, sagte ich und legte die Forelle in die Sonne.
Wir kauerten uns auf beiden Seiten von ihr hin und sahen zu, wie sie trocknete. Leere Augen glotzten uns an, der Glanz der Schuppen verblasste. Christoph stieß sie mit einem Stöckchen an, dann berührte er sie mit einem Finger. Er wollte wissen, wie sie sich anfühlte.
»Du bist aber schon gegen Leichengift geimpft, oder?«, fragte ich.
»Nein, ich … Was?« Er sprang zurück und sah mich panisch an.
Ich lachte.
»Arsch!« Er stieß mich in den Bach, ich klammerte mich an ihn und zerrte ihn mit. Dabei lachten wir beide, bis wir völlig durchnässt waren.
»Neben ihm sitzen?«, echote Selina.
»Ich denke, er wollte noch was von der Welt sehen. Das ist seine letzte Reise, die soll er nicht in dunklen Satteltaschen verbringen.« Maiks Augen glänzten vom Alkohol.
»Aber …«
Lena sah ihn an und suchte dann meinen Blick. Ich konnte ihren nicht deuten, und so zuckte ich einfach mit den Achseln.
»Jan?« Hilfesuchend sah auch Selina mich an.
»Jeder hat seinen Beutel bekommen, Maik kann mit seinem machen, was er will. Hauptsache, er geht nicht kaputt.«
»Geht er nicht«, brummte Maik und legte die Hand vorsichtig aufs Plastik.
»Ich find es irgendwie schön, ihn zwischen uns zu haben«, sagte Lena leise.
»Schön?«, fuhr Selina auf.
»Du weißt, wie ich es meine.«
Schweigend starrten wir alle auf den Beutel. Kurz dachte ich daran, auch meinen zu holen, aber es wäre seltsam, zwei Christophs zwischen uns zu haben, und so ließ ich es sein. Ich sah zu Lena, im schwachen Licht wirkten ihre Augen mal grün, mal braun. Schnell sah ich wieder weg.
»Wann habt ihr eigentlich Geburtstag?«, fragte Maik, ein seltsamer Gedankensprung.
»Wieso?«, fragte Selina.
»Nur so.«
»Siebzehnter November. Und du?«
»Vierundzwanzigster Januar.«
»Wassermann.«
»Glaubst du an so was?«
»Nur, wenn es stimmt.«
Maik grinste. »Und ihr?«
»Sechster September«, sagte Lena.
»Neunter Juni«, sagte ich, und dann fiel es mir erst auf. 6.9. und 9.6., unsere Geburtstage waren gespiegelt. Wenn man unsere Tage voneinander subtrahierte, ergab es 3, ebenso bei den Monaten. 3+3=6, 3x3=9, unsere Zahlen passten harmonisch zusammen, und 69 war sowieso eine tolle Zahl, und dafür musste man Lena nur die trennenden Punkte nehmen.
»Ein paar Minuten nach 16 Uhr«, sagte Lena.
Mir fiel das Kinn herunter. An Sternzeichen glaubte ich nicht, aber Zahlen, die sich perfekt zusammenfügten, machten mich glücklich. »16 Uhr und 4 Minuten vielleicht?«
»Vielleicht. Ich weiß es nicht.«
16:04 Uhr. Ich war um 4:04 geboren, beides war vier Minuten nach vier, sie am Tag, ich in der Nacht, ein Spiegel wie unsere Geburtsdaten.
»Kannst du’s rausfinden?«
»Wenn wir wieder daheim sind. Warum?«
»Nur so. Vier nach vier, das fände ich witzig.« Meine Stimme wurde leiser. »Na ja, ist nicht so wichtig.«
»Der olle Mathe-Streber!« Maik lachte.
»Ja und?«
»Prost!« Er gab mir den Wein, und ich trank.
Vier nach vier, 69 und 96. Ich sah Lena nicht an, nur auf ihre Füße, auf die silbernen Schnallen der Stiefeletten. Mein Herz schlug schneller. Ich glaubte nicht an Zeichen, aber war das eines? Würde es einen Unterschied machen, wenn es 16:03 Uhr oder 16:05 Uhr oder noch weiter vorbei war?
Nein, es war alles egal. Sie + Christoph = tabu. Daran änderte keine Zahl der Welt etwas. Auch wenn sein Geburtstag überhaupt nicht zu ihrem passte.
Verlieb dich nicht in sie!
Denk nicht an einen rosa Elefanten , sagte eine Stimme in meinem Kopf amüsiert.
Das ist was ganz anderes!
Hatte Christoph etwas mit Lena gehabt? Ich nahm
Weitere Kostenlose Bücher