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Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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Ralph schloss sich ein Bier später unserem Pakt an, nachdem er Kev mit der betrunkenen Eva im Arm davonwanken gesehen hatte.
    Wer zuerst kommt, mahlt zuerst , dachte ich, auch wenn ich nicht wusste, was zwischen Lena und Christoph vorgefallen war. Sie hatte ihn geliebt, liebte ihn augenscheinlich noch immer, aber was war mit ihm gewesen? Solange ich das nicht wusste, war sie tabu.
    Denk an was anderes!
    Und ich dachte an Maiks Selbstmordversuch und fragte mich, ob ich ein schlechterer Freund war, weil ich nicht verzweifelt genug gewesen war, mich umzubringen.
    Unsinn! , widersprach ich mir selbst. Trotzdem nistete sich der Gedanke in meinem Kopf ein. Weit hinten, wo ich ihn nicht herausbekam.
    Schuld hat ihn dazu getrieben, nicht Freundschaft. Ich muss mich nicht schuldig fühlen.
    Musste ich das wirklich nicht? Ich war auch auf der Party gewesen. Hätte ich Christoph nicht abhalten können zu fahren? Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass er sich von mir verabschiedet hatte. Hätte ich überhaupt gemerkt, dass er getrunken hatte? Ich hatte selbst einiges intus gehabt. Hätte es etwas geändert? Gerber hatte ihn erwischt, auch nüchtern konnte man keinem rasenden Auto ausweichen.
    Warum hatte ich nie daran gedacht, mich umzubringen?
    Weil Gerber schuld war, Gerber allein.
    Warum hatte ich dann nicht daran gedacht, ihn umzubringen?
    Maik war bereit gewesen, bis zum Schluss zu gehen. Ich dagegen hatte alberne kleine Fahrradmodelle zertrümmert und kindische Botschaften geschickt.
    Er ist freigesprochen worden!
    War das kein Grund, die Rache selbst in die Hand zu nehmen, wenn es schon keine Gerechtigkeit gab?
    Nein.
    Meine Augen brannten, ich wusste nicht, ob vor Müdigkeit oder wegen des offenen Visiers. Ich klappte es runter und schob es sofort wieder hoch, hinter dem Plexiglas fühlte ich mich eingesperrt. Als ich die Hand wieder auf Lenas Hüfte legte, tat ich es an derselben Stelle wie zuvor. Ich hielt mich an Lena fest und atmete tief ein. Ich vermisste ihr Parfum.
    Das erklärt, warum du dich bei Mädchen so ungeschickt anstellst , hatte Knolle gesagt, und er hatte recht, ich zögerte zu oft. Warum konnten sie mich so leicht zum Stammeln bringen, dazu, mich zum Affen zu machen?
    Warum konnte ich nicht einfach lässig von Brücken springen wie Maik?
    Und wozu? Es hatte ihm nichts gebracht. Trotzdem würde ich mich besser fühlen – wer keine Angst vorm Springen hat, dürfte auch sonst keine haben.
    Mach dich nicht trotteliger, als du bist , dachte ich. Und lass die Finger von Lena . Sie war wegen Christoph hier, diesen Trip machten wir für ihn.
    Also zählte ich die Leitplanken bis zur nächsten Ortschaft auf beiden Straßenseiten, um ja nicht an sie zu denken, während meine Hände auf ihren Hüften lagen. Links waren es unsinnigerweise drei Leitplanken mehr als rechts.
    Eine knappe Stunde hinter der Grenze hielten wir in einem Städtchen mit schmalen verwinkelten Straßen im Zentrum. Es war der erste richtige Halt in Frankreich, und wir hofften, den Drogenkontrollbereich verlassen zu haben. Trotzdem sahen wir uns nach Polizisten um. Was wussten wir schon von französischen Gesetzen?
    Als ich vom Roller stieg, wäre ich beinahe umgeknickt, so steif waren meine Knie. Der Hintern tat mir weh, und ich streckte mich. Die Muskeln kribbelten, die Ellbogen und Schultern knirschten. Ich nahm den Helm ab und spürte, wie der Druck auf meine Stirn abnahm. Während der Fahrt hatte ich es nicht so gespürt.
    »Weit geht’s heute nicht mehr«, sagte Lena, und alle nickten.
    Selina rieb sich den Nacken, als wäre er verspannt.
    Wir checkten unsere Mails und Facebook und antworteten hier und da. Solange wir halbwegs regelmäßig reagierten, merkte keiner, wo wir wirklich steckten.
    Im Erdgeschoss eines Fachwerkbaus befand sich ein kleiner Supermarkt, der wie ein Schlauch weit hineinführte. Wir kauften zwei frische Baguettes, verschiedene Käse und trockenen Rotwein – das schien ein passendes erstes Abendessen auf französischem Boden zu sein. Gegen den Durst holten wir sechs Liter Wasser. Selina und Lena sprachen ähnlich mäßig Französisch wie ich, aber wir kamen zurecht. Dinge aus dem Regal nehmen und eine Zahl von der Kasse ablesen, das schaffte sogar Maik. Die Kassen befanden sich an einem seitlichen Tresen am Ausgang, und alles wurde beim Scannen sofort in dünne Plastiktüten verpackt. Wegen der schweren Flaschen nahm der Packer zwei übereinander. Er wirkte mürrisch, kein Wunder bei acht Stunden schlecht

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