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Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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lachte.
    »Soll ich jetzt zum Roller laufen und meinen Geldbeutel holen?«
    »Äh, nee.« Ich sprang von der Mauer. »Kommt ihr auch mit?«
    Selina schüttelte den Kopf. »Ich hol mir nachher Crêpes.«
    »Ich auch«, sagte Maik. »Wir warten hier.«
    »Passt gut auf Christoph auf.«
    »Klar.« Maik legte eine Hand auf die Asche. »Aber wer klaut schon einen Plastikbeutel?«
    Lena und ich gingen los. Den Rucksack ließ ich zurück.
    »Weißt du, wo es das nächste Eis gibt?«, fragte ich, um es möglichst schnell hinter mich zu bringen.
    »Nein. Aber das muss es überall geben.«
    Das tat es nicht, auch wenn wir einige Cafés und Restaurants fanden. Um uns wurde Französisch gesprochen, darum fühlte ich mich trotz der anderen Menschen unbelauscht.
    »Paris ist echt wunderschön«, sagte Lena.
    »Hattest du was mit Christoph?«, fragte ich, weil ich an gar nichts anderes mehr denken konnte.
    »Das weißt du nicht?«
    »Nein.«
    »Und was meinst du?«
    »Ich weiß es nicht! Drum frag ich ja.«
    »Macht es denn einen Unterschied?« Sie sah mich fast lauernd an.
    Ich nickte. »Wie Tag und Nacht.«
    »Echt? Warum?«
    »Er war mein bester Freund, und wir haben …« Ich konnte es ihr nicht sagen und blickte auf irgendeine Häuserfront hinter ihr. »Ich meine, ich weiß, was Selina und Maik mit ihm verbindet, aber von dir weiß ich’s nicht.«
    »Würdest du ihn anders sehen, wenn da was gewesen wäre?«
    »Nein«, sagte ich sofort und sah sie an. »Das heißt: Ja, aber eigentlich nein. Verstehst du?«
    Lächelnd schüttelte sie den Kopf, und ich hasste Paris. Wie hätte Christoph nichts mit ihr haben können?
    »Würdest du denn mich anders sehen?«, fragte sie.
    »Vielleicht.« Zu einem größeren Eingeständnis war ich nicht bereit.
    »Schade«, sagte sie, was nun ich wieder nicht verstand.
    »Und?«, fragte ich. »Was hattet ihr miteinander?«
    Sie lächelte und deutete mit einem Nicken die Gasse hinauf. »Da gibt’s Eis.«
    »Was?« Ich blinzelte.
    »Eis. Dafür sind wir hier.«
    Eine Kugel kostete unglaubliche drei Euro, also nahm jeder nur eine.
    »Danke«, sagte Lena trotzdem.
    Langsam schleckend schlenderten wir zurück. Ich zählte die zahlreichen Pärchen, die sich albern an den Händen hielten, und dachte: Ihr Schwachmaten seht zu viele Kitschfilme!
    Als wir uns Selina und Maik näherten, lag der Beutel noch immer zwischen ihnen, und sie waren in ein Gespräch vertieft. Ihre Hände auf dem Plastik berührten sich fast, aber Selinas Gesicht war angespannt. Von Maik sah ich den Hinterkopf. Die Satteltaschen auf Maiks linker Seite ruckelten, ich bemerkte eine Hand, die von jenseits der Mauer nach ihnen griff. Ich erinnerte mich, dass dort eine Rampe schräg nach unten lief, hinab zum Seineufer.
    »Hey!«, brüllte ich, warf mein halbes Eis nach der Hand und rannte los. »Die Satteltasche!«
    Die Taschen wurden in die Tiefe gerissen, Maik wirbelte herum, und mein Eis klatschte gegen sein Ohr. Fluchend sprang er auf, Selina riss den Beutel an sich und drückte ihn gegen ihre Brust, ich sprang an ihnen vorbei über die Mauer, ohne hinzusehen, ohne zu denken.
    »Jan!«, rief Lena.
    »Pack ihn!«, schrie Selina.
    Ich rauschte zwei Meter in die Tiefe und knallte auf Beton, rollte mich ab und dachte kein bisschen ans Fliegen. Sofort raffte ich mich wieder auf und raste einem schlanken Jungen hinterher, der die Satteltaschen umklammerte und zur Seine stürmte. Unten im Wasser wartete ein kleines Boot mit laufendem Motor und einem Passagier.
    Ich rannte wie bekloppt, holte Meter um Meter auf, aber er hatte es nicht mehr weit. Mein Oberschenkel brannte, ich hatte mich aufgeschürft. Wir rasten unter den Bäumen hindurch, die an der Mauer wuchsen, oben auf der Straße rief irgendwer irgendwas. Das kümmerte mich nicht, ich rannte stur weiter.
    Näher und näher kam ich dem Kerl, der Motor heulte auf, ich trat dem Jungen in die Ferse, sodass er über seine eigenen Beine fiel und hinschlug. Schreiend rutschte er über den Beton, die Satteltaschen schlitterten Richtung Fluss, und ich hechtete nach ihnen und packte sie, bevor sie versanken. Keuchend stand ich sofort wieder auf.
    Der Typ aus dem Boot sprang an Land. Er war ein Stück älter als ich, größer und trug ein hellblaues Poloshirt. Er wirkte durchtrainiert, in der Rechten hielt er einen langen Schraubenzieher. Der Dieb rappelte sich auf und wischte sich mit der Hand über die Nase, die Knie waren rot vor Blut und grau vor Staub.
    Maik hinkte und hüpfte die Rampe

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