Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)
herunter, er war noch weit entfernt, die Mädchen noch weiter.
»Gib her. Sofort!« Drohend hob das Poloshirt den Schraubenzieher. So, wie ich um die Satteltaschen kämpfte, hoffte er auf fette Beute.
»Verpisst euch!« Ich richtete mich ganz auf, steckte die Hand in die eine Tasche und zog die Pistole heraus. Nicht ganz, ich hielt sie im Schatten der losen Klappe, ich wollte nicht, dass die Touristen über uns sie erkennen konnten.
Die zwei Diebe sahen den Lauf und erstarrten. Angst stand in ihren Augen, das Polohemd ließ den Schraubenzieher sinken, der Junge wich zum Boot zurück.
»Piss off!«, knurrte ich, auf Französisch fiel es mir noch immer nicht ein.
Sie verstanden trotzdem und kletterten in ihr Boot. Misstrauisch musterten sie mich, konnten mich jedoch nicht einschätzen. Ich genoss ihre Angst. Erbärmliche Drecksäcke! Niemand würde verhindern, dass Christoph ans Meer kam. Nach dem Steinbruch fühlte sich die Waffe in meiner Hand fast schon vertraut an. Es war gut, sie zu haben, und erst als die zwei ablegten, löste ich die Finger vom Griff und ließ sie zurück in die Tasche sinken.
»Alles okay?« Maik war da und legte mir die Hand auf die Schulter. An seiner Schläfe klebte noch immer Eis.
»Ja.« Ich grinste.
»Danke. Dein Sprung war echt der Hammer.«
Und dann waren die Mädchen bei uns, Selina umarmte mich als Erstes und drückte mich fest an sich. Ich spürte ihr Herz schlagen.
»Danke«, flüsterte sie. »Ich bin so froh, dass du dabei bist.«
Lena drückte mir einen Kuss auf die Wange, und ich versuchte, das sofort zu verdrängen. Konnte sie nicht woanders dankbar sein? In Neuseeland zum Beispiel, weit weg von mir. Ich wollte nicht wissen, wie sich ihre Lippen anfühlten. Ich hielt weiter Selina umschlungen und atmete den Geruch ihrer Haare ein. Alles, was nicht Lena war, war gut.
Mach keinen Mist! Selina ist noch tabuer, und das hattest du schon mal!
»Ist wohl eher eine Stadt der Diebe als der Liebe«, sagte ich und schob Selina von mir. »Lasst uns abhauen. Nicht dass doch einer die Knarre gesehen hat und die Bullen ruft.«
»Dein Knie?«, fragte Selina.
»Geht«, sagte ich und wischte das Blut mit der Hand weg. Die Schürfwunde am Oberschenkel war nicht tief und trocknete bereits. Wir eilten zum Parkplatz und stürzten uns in den Feierabendverkehr.
28
Kurz bevor es dämmerte, hatten wir Paris hinter uns gelassen und suchten einen ruhigen Platz auf einer kleinen Waldlichtung. Wir rollten die Isomatten an einem winzigen Bach aus, der genug Wasser führte, um uns notdürftig zu waschen. Dabei achteten wir darauf, dass es in der Nähe keine Spuren einer Feuerstelle gab; noch eine Party brauchten wir wirklich nicht.
Maik recherchierte im Netz, ob wild campen in Frankreich verboten war, fand jedoch nichts heraus, bevor der Akku ausfiel. Auch der von Lenas und meinem Handy war schon weit unten.
»Wir hätten an der Tanke einen Frankreichplan klauen sollen«, sagte ich.
»Hätten wir Enten gekauft, wären die Gänse nicht ertrunken«, erwiderte Selina.
»Was?«
»Hätte, hätte, das hilft uns nicht weiter.«
»Und was hilft uns dann weiter?«
»Du könntest zum Beispiel Holz für ein Feuer sammeln.«
»Du gibst echt gern Kommandos«, stellte ich fest. Trotzdem erhob ich mich.
»Solange sie jemand befolgt.«
Maik johlte vor Vergnügen. Aber nur einen Augenblick, bis sich Selina an ihn wandte: »Und du könntest nach Steinen suchen, um die Feuerstelle abzusichern. Nachdem dein Handy leer ist, kannst du auch was Sinnvolles tun.«
Grinsend stapfte ich zwischen die Bäume und suchte den Boden nach trockenen Ästen, abgestorbenen Wurzeln und toten Zweigen ab, während sich Maik die Schuhe auszog, um Steine vom Grund des Bachs aufzulesen. Mühsam löste ich die Etiketten von drei weggeworfenen Flaschen, das Papier war ideal, um Feuer zu entfachen. Dann fielen mir unsere Unmengen an Taschentüchern ein, und ich stopfte die Etiketten verärgert in die Hosentasche. Ich brach einen abgestorbenen Ast von einer jungen Buche, brachte ihn, das Papier und einen Schwung Holz zu Selina und ging wieder los. Die Schürfwunden juckten, und das rechte Knie war geschwollen, aber ich konnte gut laufen.
Das meiste Holz, das ich fand, war noch saftig, und so ließ ich es liegen und stapfte immer tiefer in den Wald. Als mein Arm voller Holz war und ich ans Umkehren dachte, rief Ralph an. Ich ließ alles fallen.
»Endlich!«, rief ich. »Warum dauert das so ewig?«
»Wir waren am Baggersee, und
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