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Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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Ferienbekanntschaft, der er noch zwei Monate hinterhergemailt und gesimst hatte, bevor er aufgab. Erst danach erzählte er mir davon, nicht währenddessen. Die Probleme, bei denen er mich um Hilfe gebeten hatte, waren meist in Mathe gewesen, und das zählte nicht.
    Über Mädchen sprach er kaum, und wenn er mit seinen Eltern Zoff hatte, kam höchstens mal eine kurze Bemerkung, ansonsten war er allein klargekommen. Über meine ständige Grübelei hatte er gelacht, warum sollte er also selbst grübeln oder Dinge bequatschen wollen? Er musste eben nicht viel nachdenken, um sich zu entscheiden oder etwas zu tun.
    Ich hob die Äste wieder auf und ging zurück zu den anderen. Direkt am Wasser entfachten wir ein winziges Feuer, umgeben von einem breiten Steinkreis, an dem hier und da grüne Algen klebten. Eine Schnecke floh vor der Hitze, und wir brieten die zwei Steaks und teilten sie. Wir brieten sie zu lang, sodass sie zäh waren, doch sie schmeckten großartig. Dazu gab es pampige, aufgetaute Erbsen und etwas Käse und Brot, Wasser und Wein.
    Nach dem Essen war die Sonne untergegangen, und Maik schaute bedauernd auf den Bach. »Bisschen klein für eine richtige Verdauungsplanscherei.«
    Wir nickten und drehten uns Zigaretten ohne Filter. Keiner von uns rauchte regelmäßig, und so husteten wir alle nach den ersten Zügen. Die Tabakbrösel, die an unseren Zungen klebten, spuckten wir ins Feuer.
    Als sie halb fertig war, warf Selina den Rest der Kippe in die Flammen, nahm einen langen Zug vom Wein und reichte den Kanister an Lena weiter. »Dann sind noch wir zwei dran mit Erzählen.«
    »Nach dir«, sagte Lena und zog an der Zigarette. »Du kanntest ihn besser.«
    Selinas Lippen kräuselten sich. »Meinetwegen. Aber wir sind alle sehr gespannt, wie gut du ihn kanntest.«
    Lena nickte. Dabei starrte sie ins Feuer.

29
    Selina bemerkte ihn nicht, als sie über das Tor der ehemaligen Kiesgrube außerhalb von Hartingen stieg. Nur noch Samstagmittag war sie geöffnet für Baumschnitt, Grünabfälle und Kleinmengen Bauschutt. Irgendwem gelang es trotzdem immer, anderen Müll und Schrott hier abzuladen, vom verkokelten Fön und Monitor über einen rostigen Hamsterkäfig mit gebrochenem Laufrad bis zum alten Traktorreifen. Zwischen dem Bauschutt fanden sich Bruchstücke von Kacheln, alte Türklinken, verbogene Stahlgitter zum Betonieren und zahlreiche andere Dinge, die sich fotografieren ließen. Am Rand der Grube wuchsen allerlei Blumen, und mehr suchte Selina nicht: Schrott und Blumen. Und die Ruhe und Einsamkeit, die hier herrschte. Die Kiesgrube war von einem Zaun und hochgewachsenen Büschen umgeben, nur ein asphaltierter Feldweg führte am Tor vorbei, den wenige Traktoren nutzten und sonntags ein paar Spaziergänger. Jetzt war Dienstagabend, und die meisten Bauern waren bei der Stallarbeit.
    Hinter dem Tor rückte Selina ihre Fototasche zurecht und ging weiter hinein. Die Sonne stand tief, spendete aber noch genug Licht. Sie warf interessante Schatten. Hinter dem zentralen Schuttberg wollte Selina rechts abbiegen, da traf sie auf Christoph.
    »Was machst du hier?«, fragte er.
    »Ich suche Schrott. Und du?«
    »Frösche.«
    »Aha.«
    Einen Augenblick lang starrten sie sich an.
    »Hast du eine Schlange, an die du die verfütterst?«, fragte Selina. Christoph war der Typ, dem man Raubtiere im Schlafzimmer zutraute.
    »Nein. Ich mag Frösche. Frösche, keine Schlangen.«
    »Du fängst Frösche, um Frösche im Terrarium zu halten?«
    »Ich fang sie nicht. Ich sperr keine Tiere ein.«
    Wieder schwiegen sie.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass du ein Frosch-Typ bist.«
    »Mein großes Geheimnis.« Christoph grinste. »Wenn du das jemanden verrätst, muss ich dich leider töten.«
    »Dann geh ich dir demnächst wohl besser aus dem Weg.«
    »Das wäre schade.« Er kniff ein Auge zu und blickte dann zu Boden.
    Sie wusste nichts zu sagen.
    Er sah sie wieder an. »Und dein Geheimnis ist dein Schrottfetisch?«
    Sie lachte. »Schrott und Blumen. Das fotografiere ich gern zusammen.«
    »Warum?«
    »Gegensätze ziehen sich an.«
    »Frösche und Schrott sind auch Gegensätze«, sagte er, und sie nickte.
    Gemeinsam begannen sie eine neue Fotoserie: Frösche und Schrott. Mit bloßen Händen fingen sie kleine braune Frösche vom Boden und setzten sie in den Hamsterkäfig mit dem kaputten Laufrad.
    »Macht nichts, ist ja schließlich kein Hüpfrad.«
    Sie postierten sie zwischen Scherbenstapeln und auf dem alten Fön, dessen Plastikhülle

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