Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)
Maschinen.
Nicht jeder gab zwei Euro, die meisten weniger oder gar nichts, aber im Lauf einer Stunde wuchs unsere Barschaft gut an. Wir hatten bald genug, um beide Tanks zu füllen, aber solange es lief, sammelten wir weiter für den Rückweg.
Als das nächste Auto vorfuhr, ging Selina nach einer Toilette suchen, während Lena, die neben dem Shop-Häuschen gewartet hatte, zielstrebig auf den Autofahrer zusteuerte, einen Mittvierziger mit schwarzem T-Shirt zur hellen Leinenhose, grauen Strähnen und randloser Brille. Er lächelte, bevor sie überhaupt den Mund aufmachte.
»Das wird ein neuer Highscore«, sagte Maik. »Der gibt fünf Euro.«
»Du spinnst«, sagte ich und bekam eine SMS. Ich kramte das Handy aus der Tasche, Ralph hatte geschrieben: Christophs Mutter dreht am Rad! Sagt, irgendwer hat Blumen auf dem Grab umgepflanzt.
Ich fluchte.
»Ich hab’s dir gesagt«, sagte Maik.
»Was?«
Er deutete auf Lena, der Typ hielt ihr mehrere Scheine entgegen. Auf die Entfernung war nicht zu sehen, wie viele. Sie zögerte, ihr Lächeln war zweifelnd, und sie schien etwas zu fragen. Der Typ antwortete. Er hatte den Ellbogen lässig auf dem Autodach abgelegt und sah nicht ein einziges Mal zu uns.
Zögernd schüttelte sie den Kopf und zuckte mit den Achseln.
Er grinste und zog noch einen weiteren Schein aus dem Portemonnaie, den Zapfschlauch hatte er noch nicht einmal angefasst. Er nickte in Richtung der Büsche hinter der Tankstelle und bewegte die hohle Faust am Mund vor und zurück.
»Non!« Sie wich einen Schritt zurück.
Er wedelte mit den Scheinen und folgte ihr, hielt sie ihr direkt unter die Nase und drückte dann mit den zusammengelegten Scheinen ihren Ausschnitt noch ein Stück nach unten.
Lena zitterte. Sie war so überrumpelt, dass sie nicht einmal nach uns rief. Es war nicht nötig, wir waren schon längst unterwegs.
»Drecksau!«
Er hörte uns kommen, aber bevor er sich richtig darauf einstellen konnte, waren wir da, stießen ihm abwechselnd gegen die Brust, sodass er gegen sein Auto stolperte. Die Scheine fielen ihm aus der Hand, das Portemonnaie hielt er fest umklammert.
Ich war so sauer, dass mein Französisch vollkommen verschwunden war, Maik beschimpfte ihn weiter auf Deutsch. Auch wenn er kein Wort davon verstand, war klar, was wir ihm an den Kopf warfen.
»Non, non.« Er schüttelte den Kopf und versuchte uns etwas von einem Missverständnis zu erklären, von einem harmlosen Scherz, nein, doch ein Missverständnis, er wollte sie nur ermahnen, regelmäßig die Zähne zu putzen, das sollte die Geste mit der Hand bedeuten. »Schöne Zähne.« Er suchte den Augenkontakt mit ihr, aber wir standen im Weg.
»Schickt ihn weg«, verlangte Lena leise, und wir sagten ihm, er soll sich verpissen, bevor wir ihm die Zähne mit dem Schwamm für die Windschutzscheibe putzen würden. Die meisten Worte fehlten uns dafür, aber er verstand unsere Gesten und preschte davon, gerade als Selina wieder auftauchte.
Auch die Frau von der Tankstelle kam raus und fragte, was das eben war. Sie hatte die Haare nachlässig zusammengebunden, die Lippen waren blass, die Wangen schmal, und die Augen erinnerten an einen Raubvogel.
»Nichts«, sagte Lena leise und zog den Ausschnitt des Tops hoch. Sie zitterte.
Die Frau musterte sie wortlos, die Lippen aufeinandergepresst. Wahrscheinlich dachte sie, wir vertrieben ihr die Kundschaft.
»Es ist wirklich nichts.«
»Ihr schnorrt Geld für Benzin?«, fragte die Frau.
»Wer sagt das?« Ich versuchte anklagend zu klingen, was mir gut gelang; ich war noch immer stinkwütend.
Ein schmales Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht, nicht unbedingt freundlich. »Jeder, der in der letzten Stunde bei mir bezahlt hat.«
»Und? Ist das verboten?«
»Nein.« Das Lächeln wurde ein wenig breiter. »Tankt einfach voll. Die Kamera hat einen Wackelkontakt, und ich sage, ihr seid durchgebrannt. Ein großer gelber Geländewagen aus Paris.«
»Warum?«
»Monsieur Blanc ist ein Geizhals.« Sie sah Lena in die Augen. »Und ein Schwein.«
»Danke.«
Mit Maik hob ich die Scheine vom Boden auf, die der Fahrtwind des Autos nicht weit fortgetrieben hatte. Es waren drei Zehner und ein Fünfer. Auch der Typ war ein Geizhals gewesen.
Von den geschnorrten Münzen kauften wir starken französischen Tabak, dünne Papers und ein Feuerzeug. Die blasslippige Angestellte ließ uns noch vier belegte Demi-Baguettes und eine Tüte Chips klauen. Alles andere würden wir unterwegs kaufen.
Mir fiel Ralphs
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