Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
stach mir in der Brust.
Das hat euch genervt, gell?
Dass jeder in der Früh immer erst einen Teil der Mainstreet vom Abfall befreien musste? Was denkst du denn?
Die Alternative war, in der Show draufzufallen.
Die Alternative war, Reinigungsfachkräfte anzustellen!
Nicht für mich.
Ich weiß.
Ich hatte Schwierigkeiten, den Korsett-Strumpf beim gemeinsamen Umziehen in der Garderobe vor meinen Kollegen geheim zu halten, und scheiterte erwartungsgemäß. Zu laut war mein Gekeuche gewesen – was aber schnell von diversen, fraglos allesamt brillanten Witzen und dröhnendem Gelächter übertönt wurde. Mich trieb nur die Sorge vor der ersten Show um, denn zu gut waren mir noch die betäubenden Schmerzen vom Vortag in Erinnerung …
Was soll ich sagen, die erste Show kam, mein erster Sturz fand statt, und tatsächlich linderte das Korsett die Pein gerade so, dass es auszuhalten war, wenn ich ganz flach atmete. Unabdingbar dafür war aber, dass ich keinen einzigen Fehler machte und immer so fiel, dass die Erschütterung möglichst minimal war. Natürlich ohne dass ich dabei aussah, wie ein gebrechlicher Greis, der ungelenk zum Mittagsschläfchen niedersinkt. Leider war meine mangelhafte Stunt-Technik dafür bislang nicht ausgelegt gewesen, und mir blieb die nächsten langen, langen Wochen nichts übrig, als intensiv an ebenjener Technik zu feilen, bis es zwar aussah, als würde ich entsprechend effektvoll aufschlagen, der Aufprall aber in Wirklichkeit kaum stattfand.
Also das, was man »Stunt« nennt und nicht …
… »Hinfallen«, ja ich weiß.
Trotz allem war dieser Job natürlich alles andere als förderlich für den Heilungsprozess zweier geborstener Rippen. Normalerweise beträgt der Heilungsprozess einer Rippenfraktur wenige Wochen, aber nicht in meinem Fall. Hier zog sich das Ganze über zwei Monate hin, bevor ich das elende, juckende Scheißding in einem feierlichen Ritual endlich den Flammen des Ofens im Sheriff’s Office übergeben konnte.
Seitdem beherrsche ich aber die vier Stürze, die in der Stuntshow vorkamen, nach wie vor meisterlich und kann sie auch ohne Aufwärmen oder Vorbereitung wie im Schlaf so ausführen, dass ich nicht einmal eine temporäre Rötung davontrage.
Siehst, schon wieder was fürs Leben gelernt bei mir.
So kann man das sehen.
So sieht man das.
Kapitel 9: Spezielles Personal
oder: Ganz natürliche Profis
Von Tommy Krappweis und Heinz Bründl
Lieber Heinz, ich würde gerne mit dir über deine spezielle Technik bei der Mitarbeiteranwerbung sprechen.
Na ja, mein Anspruch an Authentizität war halt nicht nur bei den Gebäuden und der Ausstattung relativ hoch, sondern auch beim Personal.
Relativ ist gut.
Normale Menschen waren für mich uninteressant. Ich wollte Typen haben. In den Westernclubs habe ich mich natürlich als Erstes umgeschaut, aber da war selten was dabei. Wenn aber jemand gut beziehungsweise passend aussieht, ein bisschen Hirn hat und dazu noch schauspielerisches Talent, dann hat man schnell ein Problem.
Welches denn?
Wenn diese Person das alles auch weiß, dann ist sie für mich nicht bezahlbar. Trotzdem brauche ich richtige Profis. Alles andere macht keinen Sinn.
Ach so, und drum hast du dich dann in Bahnhofskneipen umgeschaut?
Das war nur ein einziges Mal!
Und dieses eine Mal auch nur zufällig, weil ich gerade im Auto unterwegs war und neben der S-Bahn-Station Poing angehalten hatte. Und dann stand da an dem »Stand’l«, wie man einen Kiosk bei uns in Bayern nennt, ein Typ, den ich besser nicht hätte casten können: schlohweißes, langes Haar, dafür wenig Zähne, einen Cowboyhut auf, in einem abgewetzten Mantel … Mit anderen Worten: Da stand ein Goldwäscher.
Der Toni? Der Toni Nugget?
Ganz genau, der Toni.
Ich steig aus und sag: »Servus, ich bin der Heinz. Wer bist du?«
»Ich bin der Toni.«
»Hast du Arbeit?«
Sagt er: »Nein.«
Sag ich: »Jetzt schon. Steig ein.«
Und der Toni war einer dieser Profis, von denen du …
Der Toni war ein Profi! Der war einfach von Haus aus ein Profi.
Das kommt vielleicht doch ein bisschen drauf an, wie man Professionalität definiert.
Der Toni musste nix spielen. Er war mein Goldwäscher. Auch wenn er das selbst noch nicht wusste. Aber ich hab’s sofort gesehen.
Hatte der nicht auch so eine völlig wahnsinnige Waffe?
Ja, er hatte einen Colt mit einer Trommel, in die nur fünf Patronen passten und nicht sechs, wie üblich.
Tonis ganz spezielle Patronen waren nämlich daumendick. Drum
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