Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
indem er dem Schwarzfahrer seinen Revolver unter die Nase gehalten hat. Die haben sich dann bedankt, indem sie ihn der Polizei übergeben haben.
Das hat der Toni nicht verstanden.
Nein, das hat er nicht verstanden.
Aus seiner Sicht war das ja total undankbar, dass sich keiner bei ihm für die Unterstützung bedankt hat.
Richtig, er war ja auch wirklich nett zu seinen Berufsgenossen, hat immer alle Polizisten, Sicherheitsleute oder anderen Personen in Uniform gegrüßt mit lässigem Finger an der Hutkrempe und einem jovialen »Hallo, Kollege«.
Und als er dann nicht nur gegrüßt, sondern eben auch aktiv ausgeholfen hatte, musste er zum Dank auf die Polizeiwache und stundenlang erklären. An diesem Tag kam er erst am frühen Nachmittag. So lange hatte er gebraucht, allen zu erklären, dass er wirklich »Goldgräber« ist. Heutzutage tät er vielleicht gar nicht mehr kommen, weil das SEK sofort alles abgeriegelt, den Bahnsteig gestürmt und ihn umgelegt hätte.
Der Toni hätte ihnen einen Gunfight geliefert, den sie nie vergessen hätten.
Um Gottes willen …
Es ist schon verrückt … Auf der einen Seite sind zwanzig Jahre ja gar nicht so arg lang, dennoch ist es unglaublich, was sich alles verändert hat. Vieles wäre heute gar nicht mehr möglich.
Weißt du, Heinz, das ist manchmal schon ein bisschen schade, aber manchmal auch ein kleines bisschen gut.
Na ja, wie man’s sieht …
Kapitel 12: Der innere Film
oder: Eine Stadt voller Djangos
Von Heinz Bründl
I n unserer Westernstadt herrschte diese ganz besondere, sehr authentische Atmosphäre, die den Leuten das Gefühl gab, sich tatsächlich im Wilden Westen zu befinden. Ich sag immer: No Name City aktivierte bei den Leuten innere Filme.
Auch beim Personal.
Ja, und wie. Aber ihr habt euch ja dann irgendwann …
… dran gewöhnt? Eher hineingesteigert.
Da ist was dran.
Insgesamt war natürlich hilfreich, dass viele der Besucher in einem entsprechenden Outfit kamen. Bei einigen ging die Authentizität sogar so weit, dass sie ständig einen Sattel durch die Gegend schleppten und sich alle paar Minuten Staub ins Gesicht warfen.
Und wie das eben so war in Europas authentischster Westernstadt – wenn dann dazu auch was besonders Authentisches getrunken wurde, kam es natürlich auch mal zu besonders authentischen Schlägereien.
Einmal wurde ich mal wieder gerufen, weil drei Männer in der Mexican Cantina Ärger machten. Was genau, weiß ich nicht mehr, aber als ich sie sah, war mir schon klar, dass sie sich vermutlich nicht über zu wenig Zucker im Tee beschwert hatten. Die drei hatten allerdings mitbekommen, dass man mich gerufen hatte, und erwarteten mich schon mitten auf der Mainstreet. Eine Szene wie in einem Spaghetti-Western …
Kannst du das näher beschreiben, bitte?
Na ja, ich versuch’s.
Also, es war schon Abend und aus der Cantina hörte man leise die Musik der Mariachi-Band. Es waren kaum mehr Leute auf der Straße, die meisten waren im Saloon, und die Stimmung war schon irgendwie … na ja … toll. Genau so, wie man sich das eben vorstellt für so ein Shootout.
Ein Shootout?
Na ja, ein Duell halt. Aber ohne Waffen natürlich.
Ich hatte ja nie einen Revolver, um das verabredete Signal für Probleme zu geben. Als Geschäftsführer hätte das schon ein wenig seltsam gewirkt. So stand ich jetzt also ganz alleine vor diesen zugegebenermaßen ziemlich wild und entschlossen aussehenden Typen in ihren langen, mutwillig verdreckten Staubmänteln.
Eins war klar: Der innere Film dieser drei Djangos lief gerade in voller Lautstärke, und Sergio Leone führte die Regie. Von dem linken sah ich die Augen gar nicht, weil der Hut so tief in die Stirn gezogen war und der mittlere kaute auf einem kalten Zigarillo. Doch was mir gar nicht passte: Der Django ganz rechts spuckte doch glatt aus dem Mundwinkel einen dicken Strahl Kautabak auf die Straße.
Auf deine Straße.
Auf meine Straße.
Und das mochtest du ja gar nicht.
Nein, das mochte ich überhaupt nicht.
Es wäre wirklich besser gewesen, wenn er das nicht getan hätte. Denn wenn es eins gab, was mich immer wieder in drei Sekunden von null auf hundertachtzig beschleunigte, dann waren es Wildbiesler, Spucker oder sonstige Verunreiniger meiner gehegten und gepflegten Mainstreet! Jeden Tag kratzte das gesamte Team seinen jeweiligen Teil der Straße sauber, sammelte Kaugummis, Zigarettenstummel und anderen Müll ein, um sich dann mehrfach täglich an dieser Stelle für die Zuschauer
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