Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
jemand Ruso ins Hirn geschissen hat.
»Willst du gar nicht wissen, wieso?«
»Wieso?«
»Weil es irgendwann so viele Waschanlagen geben wird, dass keiner mehr genügend zu tun hat.«
Ruso schaut selbstzufrieden drein, als wäre seine Argumentation hieb- und stichfest. Aber offenbar spürt er, dass Fernando so seine Zweifel hat, denn er fügt hinzu: »Überleg doch mal. Irgendwann kommt der Moment, in dem keiner mehr auch nur einen Peso verdient.«
»Und?«
»Dann geht den anderen der Arsch auf Grundeis, weil sie viel Kohle verlieren. Verstehst du?«
Irgendwo im Hinterkopf beginnt es Fernando zu dämmern.
»In dem Moment werden die ersten dichtmachen. Weil sie harte Zeiten nicht gewöhnt sind. Verluste einfahren. Verstehst du?«
Draußen winkt Cristo dem Autofahrer hinterher, der es sich offenbar anders überlegt hat. Er bleibt noch eine Weile stehen, die Arme in die Hüften gestemmt, und kehrt dann zurück ins Büro. Ruso führt seinen Gedankengang zu Ende.
»Wir hingegen sind harte Zeiten gewohnt. Harte Zeiten sind sogar unsere Stärke. Wir müssen also nur abwarten, bis einer nach dem anderen klein beigibt. Verstehst du?«
Fernando nickt. Insgeheim denkt er wieder an den Grund, der ihn hergeführt hat. Vielleicht ist es gar nicht so wichtig, dass er auf Ruso zählen kann. Vielleicht ist Ruso vielmehr das, was man einen ewigen Versager nennt.
»Was wollte der Typ?«, fragt Ruso.
»War ein Kumpel vom letzten Job, dem ich von unseren PlayStation-Turnieren erzählt habe. Hat gefragt, ob er mitmachen kann.«
»Und? Was hast du ihm geantwortet?«
»Dass wir schon komplett sind.« Er zögert.
»Hast du gut gemacht, Cristo. Mehr als vier, das bringt nur Ärger.« Ruso wendet sich wieder Fernando zu. »Noch einen Kaffee?«
Berufliche Orientierung
Fernando und Mauricio bedauerten aufrichtig, dass es mit Monos Fußballerkarriere so abrupt zu Ende gegangen war. Ruso hingegen tat das Gleiche wie sein bester Freund: Er verleugnete die Realität. Und er unterstützte ihn bei dem vergeblichen Versuch, sie wieder in Schwung zu bringen. Denn Mono war noch nicht bereit zu akzeptieren, dass seine Zukunft vorbei war, bevor sie richtig angefangen hatte.
Ein Jahr ging er Klinken putzen, nahm an einem Probetraining nach dem anderen teil, bis er schließlich einen Trainer von Excursionistas überzeugt hatte, dem weniger sein Talent als vielmehr seine störrische Hartnäckigkeit imponierte. Mono und Ruso feierten den Vertrag wie einen Akt höherer Gerechtigkeit, als Neuanfang auf dem Weg zum großen Durchbruch. Für sie ging jetzt alles seinen gerechten Gang, nur dass es eben ein, zwei Jahre länger dauern würde.
Aber einige Monate später, kurz nach Monos einundzwanzigstem Geburtstag, bedankte sich auch dieser Trainer bei Mono und schickte ihn ins Sekretariat, damit er seine Papiere abholte. Mono bedankte sich seinerseits, fuhr nach Hause und besoff sich drei Tage lang, bis er schließlich über dem Klo hing und Galle kotzte und von Ruso, der die ganze Zeit über an seiner Seite gewesen war, gestützt werden musste, um nicht umzukippen.
Als Mono das Bad endlich verlassen konnte, mit tiefen Ringen unter den Augen und ganz grün im Gesicht, setzte er sich an den Tisch im Esszimmer und begann die Zeitung durchzublättern, die seine Mutter erst zur Hälfte gelesen hatte. Neben ihm stand, wie ein Adlatus oder ein Schutzengel, Ruso.
»Was suchst du, Mono?«, fragte er.
»Ich schau mir mal die Jobangebote an, um zu entscheiden, was ich studieren soll.«
»Aha.«
»Du musst mir dabei helfen, ja? Medizin lieber nicht, das hält mein Magen nicht aus. Jura auch nicht, Anwälte gibt’s wie Sand am Meer. Das gilt auch für Steuerberater.«
»Stimmt«, pflichtete ihm Ruso bei.
»Irgendwas mit Computern. Das ist doch jetzt groß im Kommen, oder?«
»Computer ist gut. Aber welche Richtung?«, fragte Ruso vorsichtig, der bei diesem Thema von Tuten und Blasen keine Ahnung hatte.
»Weiß nicht. Systemanalytiker. IT -Ingenieur. Elektroingenieur.«
»Ist das alles das Gleiche?«
»Keine Ahnung, Ruso. Das muss ich erst noch rauskriegen. Bist du dabei?«
Monos Berufsfindungsprozess hatte nur knapp fünf Minuten in Anspruch genommen. Mehr Zeit war nicht vergangen zwischen dem Aufschlagen der Stellenanzeigen und dem Aufbruch zum Bahnhof von Castelar.
8
Am Busbahnhof lässt Fernando sich erklären, wie man zum Stadion gelangt. An einem öffentlichen Telefon macht er Halt und kramt in seiner Hosentasche. Er legt das Kleingeld auf
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