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Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Titel: Vier Jungs auf einem Foto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Sacheri
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den Boden starrt.
    »Bei dir ist das Tor wie vernagelt. Vielleicht bist du fünf Zentimeter zu groß gewachsen. Oder fünf Zentimeter zu klein. Oder du hast ein paar Kilo zu viel auf den Hüften. Im Fußball entscheidet manchmal eine Kleinigkeit. Es schaffen eben nicht viele. Wer’s schafft, der hat das gewisse Etwas. Und dieses gewisse Etwas, das hast du nicht. Jedenfalls nicht im Strafraum. Jetzt denkst du wahrscheinlich: Was weiß dieser Blödmann mit dem Zinken im Gesicht denn schon? Viel, sehr viel, kann ich dir nur sagen. Was mein eigenes Leben angeht, da bin ich genauso ein Blindfuchs wie jeder andere. Aber was das Leben von anderen angeht, da sieht’s schon anders aus. Das kannst du mir glauben. Ich weiß, wie die Leute sind. Ich hör nämlich zu. Und beobachte. Deshalb kannst du dir ein für alle Mal merken: Als Stürmer wirst du es nicht schaffen. Da kannst du noch so sehr rumheulen. Du bist einfach nicht zum Stürmer geboren.«
    Pittilanga nimmt die Fußspitze zu Hilfe, um sich die Schuhe abzustreifen. Er starrt immer noch auf den Boden. Ab und zu schnaubt er. Ob aus Frust, Ärger oder Ohnmacht, ist Ruso nicht klar.
    »Aber wie gesagt, und das mein ich ganz im Ernst: Hinten hast du eine Chance. Du kannst mich ruhig auslachen. Egal. Das zeigt nur, dass du noch grün bist hinter den Ohren. Oder keine Ahnung hast. Jedenfalls hast du noch nicht richtig drüber nachgedacht. Du solltest es mal ausprobieren. Nicht als Außenverteidiger. Dafür bist zu groß. Und zu langsam. Du würdest die Stürmer nur von hinten sehen. Aber als Innenverteidiger. Was ist dir lieber: links oder rechts?«
    Pittilanga verzieht den Mund, als wäre es ihm egal. »Ich hab noch nie als Innenverteidiger gespielt.«
    Ruso hat die richtige Antwort parat. Er zögert, weil er noch Skrupel hat, aber nur kurz. »Eigentlich spielst du jede Partie als Verteidiger. Allerdings für den Gegner.«
    So. Jetzt ist es raus. Jetzt darf sich der Junge aufregen. Zu seiner Überraschung fängt Pittilanga an zu lachen. Es klingt wie ein Schnauben, aber es ist ein Lachen.
    »Warum fickst du dich nicht selbst ins Knie?«, flucht er schließlich, aber Ruso spürt, dass er eigentlich gar nicht wütend ist.
    »Das werd ich öfter gefragt, aber lass uns beim Thema bleiben. Im Ernst: Weißt du, was mich auf die Idee gebracht hat, dass du ein guter Innenverteidiger werden könntest?«
    Pittilanga sieht ihn an. Er ist jetzt nicht mehr sauer, wie Ruso immer deutlicher spürt, er ist neugierig.
    »Weil du weißt, wie’s im Strafraum zugeht. Du machst zwar keinen rein, aber es ist trotzdem dein Terrain. Du weißt, wie das ist, wenn dich jemand bedrängt, an dir zieht, dich fast umrennt. Du weißt, wie klein das Tor plötzlich sein kann, wenn man schießt, wie weit entfernt. Dass man einen trockenen Mund kriegt, wenn es wieder mal nicht geklappt hat und die ganze Tribüne murmelnd flucht. Wie groß die Torhüter sein können bei einer Eins-zu-eins-Situation, wenn sie den Winkel verkürzen. Wie sich das anfühlt, wenn man bei einer Flanke zum Kopfball hochsteigt und einen Ellenbogen reingerammt kriegt. All das weißt du. Du machst zwar keinen rein, aber du kennst alle Tricks.«
    »Aber ich bin Stürmer.«
    »Du WARST Stürmer! Kapiert? Man kann sich auch ändern! Außerdem liegt dann die Verantwortung bei den anderen. Nicht bei dir, sondern bei den Gegnern. Also umgekehrt wie jetzt. Als Stürmer musst du den Ball in einem sieben auf zwei Meter großen Quadrat versenken.«
    »Das ist kein Quadrat, das ist ein Rechteck.«
    »Gratuliere! An dir ist ein Mathematiker verlorengegangen, du Schlaumeier. Du weißt ganz genau, was ich meine. Ein Stürmer muss das Runde ins › Eckige ‹ kriegen. Und dieses Eckige ist sieben Meter lang. Nur sieben Meter, hätte ich fast gesagt. Und in der Mitte steht auch noch einer: der Torwart. Ein Verteidiger hingegen, der Typ, der dir jedes Wochenende auf die Pelle rückt, hat links und rechts fünfzig Meter zur Verfügung, um den Ball irgendwie wegzukriegen. Verstehst du? Wenn du als Stürmer das Tor nicht triffst, wirst du ausgepfiffen. Hab ich Recht? Wenn du hingegen als Verteidiger den Ball in die Wolken drischst, um eine brenzlige Situation zu bereinigen, klatschen alle. Kannst du mir folgen?«
    Das ist der Kern seiner Theorie. Es ist das erste Mal, dass er sie laut formuliert, aber es ist diese Idee, die ihm seit gestern im Kopf herumschwirrt. Und gekommen ist sie ihm, als er die tortas fritas aus der Küche getragen und Feos

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