Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
wenn es kitschig klang.
»Dass du mir nicht sagen kannst, was ich bin, bestätigt nur, was ich denke. Verstehst du? Ich war nicht immer so. Ich bin jetzt so. Seit Jahren. Seit mehreren Jahren. Seit vierzehn Jahren, um genau zu sein.«
Allmählich begann Fernando zu begreifen. Er hatte schon lange nicht mehr darüber nachgedacht. Es tat ihm leid für seinen Bruder. Wäre es ihm bewusst gewesen, hätte er ihn fragen können, hätte er ihm zuhören können.
»Ich WAR mal was. In der Schule, in der neunten, zehnten Klasse, da war ich was. Ich … Was war ich?«
»Fußballer.«
Fernando stammelte es fast, musste es aber nicht wiederholen, weil alle das Gleiche dachten. Keiner sagte etwas. Vielleicht erging es Ruso ähnlich wie ihm. Vielleicht war auch er plötzlich traurig geworden, weil er tief in der Seele einen Schmerz entdeckt hatte, einen alten, nie ganz verheilten Schmerz.
»Genau. Kam dir ganz spontan über die Lippen, oder? Ich war Fußballer. Bis zu dem Tag, als man mich rausgeworfen hat. Seither nicht mehr. Fußballer war das Letzte, was ich war. Seither bin ich nichts mehr.«
»Moment. Jetzt mach mal halblang.« Er hatte Mitgefühl für seinen Bruder, respektierte seine Trauer, aber das war jetzt ein bisschen übertrieben. »Du hast eine Tochter, die dich liebt.«
»Darum geht’s jetzt nicht.«
»Worum dann?«
»Um mich als Person. Um mich und um das, was ich hier und heute habe.«
»Was du hast? Ein Haus, zum Beispiel.«
»Ist gemietet.«
»Aber du kannst es kaufen, wenn du willst. Und schau dir deinen Wagen an. Hör also auf, so einen Stuss zu reden.«
»Ich red keinen Stuss. Und du komm mir nicht mit Geld. Du kennst mich doch, du weißt doch, dass mir Geld am Arsch vorbeigeht.«
»Du bist also neuerdings ein Menschenfreund.«
Kaum hatte er es gesagt, bereute er es schon. Warum hatte er das getan? Seine Bemerkung war nicht nur ungerecht, sie war auch schrecklich. Mono hatte ihnen schon tausendmal bewiesen, dass Geld kein Thema für ihn war. Er hatte gern welches. Er gab gern welches aus. Wie jeder andere auch. Aber er war kein Geizhals und kein Materialist. Warum also hatte er es gesagt?
»Ich hab dich unterbrochen. Erzähl weiter«, lenkte Fernando schließlich ein, was für ihn äußerst unüblich war. Mehr an Entschuldigung würden seine Freunde nie zu hören kriegen.
»Wie gesagt, ich lebe seit zwanzig Jahren planlos dahin. Dass ich dabei zufällig einen Haufen Kohle verdient habe, ändert nichts daran. Ich will nicht den Rest meines Lebens so verbringen. Ich will was anderes machen. Will wieder jemand sein. Verstehst du?«
Das war nicht der Moment, um zu streiten.
»Ja, tue ich.«
»Erzähl weiter«, meldete sich nun auch Ruso zu Wort. Er beugte sich vor, weil er spürte, dass sie sich dem wesentlichen Punkt näherten.
Fernando wurde klar, dass es Mono einzig und allein darum ging, ihn von dem zu überzeugen, was er sich überlegt hatte. Ruso war nur ein treuer Soldat und stand immer an seiner Seite, egal, für welche Sache gekämpft wurde.
»Genau, Monito. Erzähl weiter«, sagte auch Fernando resigniert.
»Um beruflich noch mal ganz von vorne anzufangen, dafür bin ich zu alt.«
»Klar.«
»Ich muss aber gar nicht ganz von vorne anfangen, ich habe ja einen Beruf, hatte immer einen.«
»Aha. Wenn ich das richtig verstehe, willst du es als Verteidiger bei Excursionistas versuchen … Sprich: da weitermachen, wo du aufgehört hast.«
»Nein, du Idiot. Ist zwar ein fürchterliches Gebolze in der ersten Liga, aber ich weiß, dass ich mit siebenunddreißig nichts mehr reißen kann.«
»Also?«
»Trotzdem, Fußball ist mein Leben.«
»Spuck’s endlich aus.«
Mono und Ruso wechselten einen Blick, der Fernando verriet, dass jetzt die dramatische Enthüllung kam. Er machte sich auf das Schlimmste gefasst.
»Erinnerst du dich noch an Polaco Salvatierra?«
»Um Gottes willen!«, sagte Fernando nur, als er diesen Namen hörte. Er hatte verstanden.
30
Mariel ist leicht sauer, als sie den Tennisplatz verlässt, aber Mauricio beschließt, nicht weiter darauf einzugehen. Wenn sie seine Gründe verstehen will, gut. Wenn nicht, kann sie ihn mal. Ist ihm scheißegal. Deshalb wartet er, bis Artuondo und seine Gespielin ihre Sachen in die Taschen gepackt haben, lobt den Aufschlag des Richters vom Obersten Finanzgerichtshof, bewundert im Stillen die Beine seiner sehr jungen Begleiterin und lädt die beiden ins Clubcafé ein, um nach dem Duschen noch etwas zu trinken. Zum Glück nehmen
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