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Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Titel: Vier Jungs auf einem Foto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Sacheri
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Fernando, was Mono jetzt, zehn Jahre später, von der Frau denken würde, mit der er ein Kind gezeugt hat.
    Man kann nicht sagen, dass sie gealtert ist. Sie ist … wie alt? Fünfunddreißig? Sechsunddreißig? Sieht noch jung aus. Ist nach wie vor hübsch. Hat eine gute Figur, trotz ihrer zwei Schwangerschaften. Fernando rechnet aus, wie alt Guadalupes kleiner Bruder ist, den Lourdes mit dem Schweizer hat. Sechs. Matías ist jetzt sechs.
    »Wie geht’s den Kindern?«, fragt er, um das Eis zu brechen. Lourdes reagiert erleichtert, ihr Gesicht entspannt sich.
    »Gut, sehr gut. Sind bei Claudio.«
    Claudio ist der neue Mann an Lourdes’ Seite. Der Mann nach dem Schweizer. Seit zwei Jahren ist sie nun mit ihm zusammen. Fernando hätte gern gefragt, wie es so läuft, aber dafür ist ihr Umgang nicht vertraulich genug. Er hofft, dass alles okay ist. Nicht um Lourdes willen, gegen die er nach wie vor einen tiefen Groll hegt wegen all dem Schmerz, den sie seinem Bruder zugefügt hat. Aber um Guadalupes willen. Sie soll in guten Verhältnissen aufwachsen, so etwas wie eine Familie haben, denkt Fernando, der in diesen Dingen eher altmodisch gestrickt ist.
    »Und bei dir?«, fragt Lourdes, als müsste sie den Regeln der Höflichkeit Genüge tun.
    »Gut, kann nicht klagen«, antwortet Fernando und überlegt, wie er das Thema anschneiden soll.
    »Und deiner Mutter?«
    »Auch gut. So weit«, erwidert Fernando, der lieber nicht zu sehr ins Detail gehen will.
    Was wäre ins Detail gehen? Meine Mutter? Verbittert, halsstarrig, wütend, gleichgültig gegenüber allem und jedem, was nicht ihren Hass auf die Welt nährt oder dem ehrenden Gedenken an ihren Sohn dient.
    »Ich wollte mich mit dir treffen, weil ich gern etwas besprechen würde, das mit Guadalupe zu tun hat.« Lieber gleich auf den Punkt kommen, denkt sich Fernando.
    »Wegen der Besuchszeiten, da habe ich mit dem Anwalt gesprochen, und –«
    »Warte, hör mir erst mal zu«, fällt Fernando ihr ins Wort. Höflichkeit ist eine Tugend, ja, aber das bedeutet noch lange nicht, dass man sich für dumm verkaufen lassen muss. Oder einschüchtern.
    »Ich weiß, dass Mono und du da einigen Stress hattet«, beginnt er.
    »Einigen Stress« – schöner Euphemismus für all das Gezerre, all die Ängste, all die bitteren Momente. Und all die Drohungen und Anzeigen, mit denen diese Hexe seinen Bruder schikaniert hat.
    »Deswegen habe ich ja –«
    »Lass mich bitte ausreden. Jetzt, wo Mono tot ist, müssen wir eine andere Besuchsregelung finden. Die Kleine hat ein Recht darauf, ihre Großmutter und ihren Onkel zu sehen.«
    »Dagegen wehre ich mich ja auch nicht, aber es wäre mir trotzdem lieber, du besprichst das mit meinem Anwalt.«
    »Dein Anwalt geht mir gewaltig auf den Sack, Lourdes. Genau dafür bezahlst du ihn ja. Mit Geld, das du Mono aus der Tasche gezogen hast.«
    Fehler, denkt Fernando, kaum hat er es gesagt. Mit energischen Gesten steckt Lourdes Handy, Sonnenbrille und Autoschlüssel in ihre Handtasche und macht Anstalten zu gehen.
    »Entschuldige. Das ist mir so rausgerutscht.«
    Lourdes wirft ihm einen vernichtenden Blick zu, stellt ihre hektische Betriebsamkeit aber ein. Fernando hält dem Blick stand und denkt wieder: armer Mono.
    »Begraben wir die alten Geschichten. Was jetzt zählt, ist die Zukunft.«
    »Ich bezweifle, dass wir uns da verständigen können.«
    »Wenn wir pragmatisch denken, schon. Pragmatisch und ehrlich.«
    Sie streicht ihr Haar zurecht.
    »Dann lass uns erst mal was klarstellen. Du kannst mich nicht ausstehen, und ich kann dich nicht ausstehen. Es hat keinen Sinn, nach den Gründen zu suchen. Fakt ist nur: Wir haben praktisch nichts gemeinsam.«
    Lourdes sieht ihn mit großen Augen an. »Brutale Ehrlichkeit, wie man so sagt.«
    »Wie man so sagt, ja. Eines haben wir allerdings sehr wohl gemeinsam.«
    »Ach ja? Was soll das sein?«
    Fernando geht Lourdes’ sarkastischer Ton gehörig auf die Nerven, aber er reißt sich zusammen, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Wenn er es bei seinen Schülern schafft, dann schafft er es auch bei dieser blöden Kuh. Er atmet zweimal tief durch. Schon besser.
    »Hör zu, Lourdes. In meinen Augen bist du kalt, berechnend, manipulativ, hysterisch, sexuell frustriert, neurotisch, egoistisch, verlogen …«
    Entgegen seiner Erwartung unterbricht Lourdes ihn nicht, sondern wartet, bis ihm die Wörter ausgehen. Oder die Lust.
    »Und du denkst garantiert ähnlich oder schlimmer über mich. Aber das tut jetzt nichts

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