Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
denen Fernando die ganze Zeit herumgespielt hat. Erst jetzt sieht er sie wirklich. Zwei zylindrische Schlüssel, der eine golden, der andere silbern. Es sind Fernandos Haustürschlüssel. Nicht die des Audi.
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagt er schließlich matt.
»Oh doch. Oder du kannst es dir zumindest denken. Jedenfalls verrät mir dein Gesicht, dass du es im Grunde schon kapiert hast.« Fernando macht wieder eine Pause. Dann fährt er fort: »Ich bin nach Warnes gefahren. Mir wurde jemand empfohlen, und ich bin hingefahren.«
»Empfohlen? Wer hat dir jemanden empfohlen?«
»Chamaco. Der Junge, der bei Ruso arbeitet. Jedenfalls betreibt dieser Typ, der Bekannte von Chamaco, ein florierendes Geschäft mit Ersatzteilen. Außerdem gehört ihm der größte Schrottplatz von Buenos Aires.«
»Moment, Moment.« Mauricio hat das Gefühl, als würde der Boden unter seinen Füßen nachgeben.
»Natürlich ist der Audi mehr wert als zwanzigtausend. Aber was sollte ich machen? Er wollte mir partout nur fünfzehn geben. Die andern fünf muss ich irgendwie anders zusammenkratzen.«
In Mauricio steigt Wut auf. Aber er kann jetzt keine Szene machen. Nicht vor Artuondo, auch wenn der schon drei Whiskys intus hat und gerade den vierten in Angriff nimmt. Am meisten empört ihn, dass Fernando das ganz genau weiß. Dass sie genau deswegen hier sitzen, hier an diesem Tisch.
»Reg dich nicht auf, Mauricio. Bis jetzt bist du gut weggekommen. Mehr als gut.«
»Du bist vielleicht ein Arschloch.«
Fernando macht wieder eine Pause und sieht ihn an. Nicht zornig. Lediglich konzentriert. Als würde er die Beleidigung in eine lange Liste eintragen. Eine alte Liste.
»Ich bin nicht hier, um mich mit dir zu streiten. Von mir aus kannst du mich verfluchen, aber es gab keine andere Lösung. Deswegen habe ich dich erst gefragt, ob du das Geld hast. Hast du nicht. Oder eben doch, in Form des Audi. Du brauchst dich nicht als Opfer stilisieren, schließlich ist der Wagen versichert. Du musst nur drei Tage warten mit der Anzeige.«
»Entweder spinnst du oder du bist dümmer, als ich gedacht habe.«
Wieder legt Fernando ein Pause ein, bevor er antwortet. »Vielleicht beides. Aber lass uns beim Thema bleiben. Der Typ mit dem Schrottplatz braucht drei Tage. Entweder um den Wagen abzuwracken oder um ihn nach Paraguay zu schaffen.«
»Das heißt, mein Audi ist bei diesem Verbrecher, und der wird damit in den nächsten Tagen nach Paraguay fahren? Und ich habe die zivilrechtliche Verantwortung dafür?«
»Nicht so laut. Mir ist es ja egal, aber diesen Leuten könnte eine Szene unangenehm sein. Es war nicht so geplant, Mauricio, ich schwör’s. Nicht, dass wir dir was schuldig wären. Im Gegenteil. Wir haben noch einiges gut bei dir.«
»Wie meinst du das?«
»Belassen wir es lieber dabei.«
»Du, dein Bruder und dein Freund gehen mir gehörig auf den Sack.«
Fernando räuspert sich. Er stellt die leere Tasse auf den Unterteller. Scheint nachzudenken.
»Ich dachte«, sagt er dann, »mein Bruder, mein Freund und ich wären auch deine Freunde. Aber vielleicht befindest du dich ja mitten in einem Reevaluierungsprozess.«
Wieder macht er eine Pause, als wollte er Mauricio die Gelegenheit zur Gegenattacke geben. Als nichts kommt, fährt er fort: »Du musst nur mitspielen. Drei Tage lang. Am Dienstag meldest du dein Auto gestohlen. Bestimmt stellt deine Versicherung dir einen Ersatzwagen, bis du das Geld ausgezahlt kriegst.«
»Ist dir überhaupt klar, in was du mich da reinziehst? Weißt du, was mir blüht, wenn ich keine Anzeige erstatte und diese Typen den Audi für einen Banküberfall oder eine Entführung nutzen? Ist dir das klar oder bist du zu dumm dafür?«
»Letzteres hast du mich eben schon gefragt. Ja, ich bin zu dumm dafür. Aber das ist ein anderes Thema. Ich kann dir nur eines versichern: Wenn du den Wagen jetzt als gestohlen meldest, dann handelst du dir einen Riesenärger ein. Mir auch, aber du kommst auch nicht ungeschoren davon. Es sind doch nur drei Tage. Wenn sie das Auto hier auseinandernehmen und den Peilsender entsorgen, haben wir sofort Ruhe. Wenn sie es an die Grenze schaffen, dauert es eben drei Tage.«
»Wer hat dir eigentlich das Recht gegeben, mich in diese illegalen Machenschaften zu verwickeln?«
Er hat nicht geschrien, aber es wirkt so. Jedenfalls drehen sich die Leute am Nachbartisch zu ihnen um. Fernando ist nach wie vor die Ruhe selbst.
»Stimmt. Ich habe dich in ein unsauberes Geschäft
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