Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
dachte Fernando. Sein Bruder hatte an der Peripherie dieser Welt gelebt, nicht im Zentrum. War bis ins Vorzimmer gelangt, weiter nicht. Und als er eintreten wollte, hatte man ihm die Tür vor der Nase zugeknallt. Das war das Problem. Monos Begeisterung, sein Eifer, sein Ungestüm hatten etwas von einer Wiedergutmachung, von einer offenen Rechnung. Aber er brachte es nicht übers Herz, es ihm zu sagen.
»Warum schaust du dich nicht auch noch anderweitig um? Oder meinst du, Polaco ist der Einzige, der dir helfen kann?«
»Genau!«, rief Mono, als hätte er nur darauf gewartet, dass das Gespräch an diesen Punkt gelangt. »Er ist der richtige Mann zur richtigen Zeit.«
»Verstehe ich nicht.«
»Polaco war zwei Jahre im Knast. Aber er hat immer noch gute Kontakte. Und Spieler an der Hand.«
»Ach Mono. Glaubst du nicht, das hat sich nach zwei Jahren im Bau ziemlich relativiert?«
»Verträge sind Verträge. Und Verträge haben Laufzeiten. Du brauchst gar nicht so zu gucken, Fernando. Es ist so. Ich hab mich erkundigt.«
»Bei wem? Bei Polaco?«
»Nein, bei anderen Leuten.«
»Und warum machst du dann nicht mit denen Geschäfte?«
»Weil es ein Vorteil ist, dass Polaco angeschlagen ist.« Er wandte sich an Ruso: »Ist das so schwer zu verstehen?«
Ruso sagte lieber nichts. Das waren Familienangelegenheiten. Außerdem musste Mono ihn nicht überzeugen. Er war schon überzeugt.
»Ich finde es zu riskant.«
»Okay, es ist riskant. Aber hohes Risiko bedeutet auch hohe Rendite. Und da ist noch was.«
»Was?«
»Lourdes würde endlich aufhören mit ihren Schikanen, wenn ich Kohle hätte. Meinst du nicht?«
»Monito, Kohle hast du doch jetzt schon. Und schikanieren tut sie dich trotzdem.«
»Schon. Aber wenn ich noch mehr Geld hätte, richtig viel Geld« – Fernando hob die Hand, um ihn zu bremsen, aber Mono redete einfach lauter, weil er nicht unterbrochen werden wollte – »wenn ich richtig viel Geld hätte, würde ich vielleicht das Sorgerecht kriegen. Verstehst du?«
Fernando sah seinen Bruder an, der sich in seinen Augen etwas vormachte. Mono konnte noch so viel Geld anhäufen, das Sorgerecht würde er nie und nimmer kriegen. Lourdes war eine böse Hexe, aber die Kleine behandelte sie gut. Es fiel ihm schwer, es zuzugeben, aber er musste anerkennen, dass sie eine gute Mutter war. Oder anders ausgedrückt – denn um eine gute Mutter zu sein, müsste sie sich auch dem Vater des Mädchens, also seinem Bruder gegenüber, korrekt verhalten, und das tat sie nicht, ums Verrecken nicht – : Sie sorgte gut für Guadalupe. Auf eine egoistische Art, die Mono ausschloss, wo es nur ging. Aber kein Richter der Welt würde sich dadurch umstimmen lassen. Oder vielleicht doch, vielleicht war Fernando nur ein Pessimist, ein blöder Miesepeter, vielleicht nahm er seinem Bruder grundlos den Wind aus den Segeln.
Mono setzte sich wieder Fernando gegenüber und sah ihm direkt in die Augen.
»Und wenn ich es tatsächlich hinkriege? Wenn ich es mit Polacos Hilfe tatsächlich hinkriege?«
33
Sie sitzen im Büro der Waschanlage. Cristo braut Mate, aber eher lustlos. Die Blätter sind längst ausgelaugt. Die anderen beiden sind so abwesend, dass sie sich nicht beschweren und einfach am Trinkhalm ziehen, wenn sie an der Reihe sind. Draußen legen Chamaco, Molina und Feo bei einem Auto letzte Hand an.
Fernando versucht zu verstehen, was im Radio gesprochen wird. Das Gerät ist zwar ziemlich laut gestellt, aber durch die Autos, die draußen vorbeifahren, und den Lärm, den die Waschanlage veranstaltet, versteht man trotzdem nicht immer alles.
»Bist du sicher, dass Prieto heute schon loslegt, Fer?«
»Nein. Ich hab ihm zwar vorgestern das Geld gebracht, aber sicher bin ich nicht.«
»Hat er irgendwas unterschrieben, dass er das Geld gekriegt hat?«, fragt Cristo, während er mit dem Trinkhalm in den feuchten Mateblättern stochert, um noch die letzten Inhaltsstoffe herauszupressen. »Ist schließlich ’ ne ganze Stange Geld.«
»Ja, Cristo. Er hat mir eine Quittung unterschrieben, auf der steht: Bestechungs- und/oder Schmiergeld betreff öffentliches Lob für Mario Juan Bautista Pittilanga dankend erhalten .«
»Ja klar – blöd von mir.«
Sie hören wieder aufmerksam zu. Prieto spricht von den Problemen bei River Plate. Eine halbe Stunde schon.
»Seid ihr sicher, dass der Typ wirklich so viele Zuhörer hat?« Cristo streckt die Beine aus und versucht, mit dem Fuß den Mülleimer zu angeln und zu sich heranzuziehen,
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