Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
Fernando nennt. Aber nur manchmal.
Mauricio verzieht wieder missmutig das Gesicht. »Wie ihr wollt«, sagt er schließlich und sieht Ruso an, als wolle er ihm zu verstehen geben, dass jetzt der Moment gekommen sei, ihn zu unterstützen. »Aber wenn wir dem Jungen fünfzehn Prozent geben, geht das entweder vom Geld für Guadalupe ab oder gefährdet den ganzen Deal.«
Bevor Ruso den Mund aufmachen kann, fügt Fernando hinzu: »Und dann ist da auch noch Bermúdez.«
»Was ist mit Bermúdez?«, fragt Mauricio, dem jetzt fast der Kragen platzt.
»Wir haben ihm zehn Prozent dafür geboten, dass er den Jungen als Verteidiger spielen lässt.«
»Was? Hast du sie noch alle?«
Ruso beschließt einzugreifen. Besser, Mauricio legt sich mit ihm an. »Irgendwie musste ich ihm die Sache ja schmackhaft machen, Mauri. Sonst … Wie hätte ich ihn sonst überzeugen sollen?«
»Was glaubst du eigentlich? Dass das hier ein Spiel ist? Dass das Geld von Himmel fällt?«
»Nein, aber …«
»Ruso hat Recht.« Wieder klingt Fernando unerbittlich, aber diesmal ist ihm Ruso dankbar dafür. »Hätte er nicht diese tolle Idee gehabt, hätten wir uns den Transfer längst sonstwo hinstecken können. Längst.«
Mauricio murmelt etwas, so leise, dass nicht klar ist, ob er nachdenkt oder sie beschimpft. Er kritzelt etwas in sein Notizbuch. »Entscheidet euch. Entweder fünfzehn Prozent für Pittilanga oder zehn für Bermúdez. Beides geht nicht, dafür ist der Kuchen nicht groß genug. Das wären fünfundsiebzigtausend weniger für die Kleine.«
Er hat Recht. Ruso weiß, dass er Recht hat. Er sieht Fernando an, der seinem Blick standhält. Wenn er sich doch nur überzeugen ließe. Wenn er doch bloß ein Mal von seinem Schülerehrenkodex abrücken würde.
»Na ja, Fer, da ist schon was dran …«, versucht es Ruso vorsichtig.
»Mag sein«, erwidert Fernando schließlich. Ruso glaubt, so etwas wie ein Einlenken wahrzunehmen. Kaum merklich, aber real. »Dann müssen wir uns wohl mit den Typen zusammensetzen und ausloten, was geht.«
»Genau«, stimmt ihm Ruso zu, der immer etwas braucht, an das er glauben kann. »Erst mal Verhandlungen aufnehmen, dann weitersehen. Irgendwie kriegen wir das schon hin.«
36
»Hallo, Estela. Humberto hat nach mir verlangt?«
»Ja, Doktor. Gehen Sie rein.«
Mauricio will es nicht in den Kopf, wieso sein Chef sich ausgerechnet diese Sekretärin ausgesucht hat. Estela ist sechzig und hat den Körper eines Innenverteidigers. Dabei ist Williams doch der Hauptpartner der Kanzlei.
Als er eintritt, telefoniert Williams gerade. Wie immer. Mauricio hat ihn noch nie bei etwas anderem überrascht. Nie liest er eine Akte, nie setzt er ein Schriftstück auf. Nicht einmal mit dem Computer verschwendet er seine Zeit. Er stammt aus einer anderen Generation. Das muss es sein. Die jüngeren Partner faulenzen auch hin und wieder, sitzen am Computer und tun nur so, als würden sie arbeiten. Williams hingegen weiß nicht mal – das hat er selbst zugegeben –, wo die Enter-Taste ist. Seine Stärke ist das Telefonieren. Das Telefon ist praktisch die Verlängerung seines Arms.
Mauricio hat deswegen nicht weniger Respekt vor ihm. Williams strahlt Würde aus, eine gelassene Überlegenheit. Alles an ihm beeindruckt: die nicht sehr zahlreichen grauen Strähnen, die gepflegten Fingernägel, der perfekte Krawattenknoten, die gut aussehenden Fältchen. So möchte Mauricio auch altern. Ignacio und Gonzalo, die anderen beiden Partner, können ihm nicht das Wasser reichen. Sie sind zwar gleichberechtigt, aber ihnen fehlt der Charme. Das Charisma. Sie scheffeln viel Geld, fahren protzige Autos, aber Williams spielt in einer anderen Liga. Und in dieser Liga will Mauricio auch mal spielen. Irgendwann.
Mit einer Geste fordert Williams ihn auf, Platz zu nehmen. Er telefoniert noch immer, lacht. Hört mehr zu, als dass er spricht. Macht nur gelegentlich eine Bemerkung. Schließlich verabschiedet er sich mit ein paar warmen Worten und wendet sich Mauricio zu.
»Wie geht’s, Mauricio?«
»Gut, Humberto. Sie wollten mich sprechen?«
»Ja. Willst du was trinken?«
»Danke, aber ich hatte gerade einen Kaffee.«
»Na schön.« Williams sieht ihn schweigend an.
Muss was Wichtiges sein, denkt Mauricio. Dieses »Na schön« ist eine Einleitung, ein Prolog.
»Darf ich dir einen Rat geben?«, fragt Williams, ohne den Blick abzuwenden.
»Natürlich, sicher, warum nicht«, stammelt Mauricio.
»Es ist so … Wie alt bist du noch
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