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Vier minus drei

Titel: Vier minus drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Pachl-Eberhart
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Geborgenheit. Ganz plötzlich will ich mich nur noch verstecken und niemanden mehr sehen. Alle wollen mit mir sprechen, hundert Arme wollen mich umschlingen, jeder sucht nach mir.
    Ich kann nicht mehr!
    Meine Energie ist dahin. Gern würde ich weinen, aber das hätte doch nur neuerliche Umarmungen und Mitleidsbekundungen zur Folge. Was tun? Den Blick gesenkt, versuche ich mich unsichtbar zu machen. Es klappt nicht.
    Unentschlossen trete ich wieder nach draußen und halte Ausschau nach meiner Mutter. Vielleicht kann sie mir helfen.
    Ein Mann mit Kamera im Arm tritt auf mich zu.
    »Liebe Frau Pachl-Eberhart, ich komme von der Zeitung. Das Interview mit Ihnen hat mich sehr berührt. Vielen, herzlichen Dank für das schöne Fest.«
    Gerührt sehe ich ihm nach. Ein Zeitungsredakteur, der sich die Zeit nimmt, sich von drei Menschen zu verabschieden, die er gar nicht kannte, ehe er zum nächsten Termin hetzt.
    Wie freundlich.
    Endlich mache ich in der Menge meine Mutter aus. Rasch laufe ich zu ihr und flüstere ihr ins Ohr:
    »Mir wird das alles zu viel.«
    Ihre Hand drückt die meine und ich weiß, dass sie mich verstanden hat. Für einen Moment darf ich Kind sein. Meine Mutter ist jetzt für mich da. Sie nimmt Beileid entgegen, schüttelt Hände und antwortet in meinem Namen. Sie weist die Gäste darauf hin, dass die Feier in meinem Haus weitergeht, und schafft es tatsächlich, den Platz vor dem Friedhof in kurzer Zeit leerzubekommen.

    Ich danke ihr stumm und gehe dann noch einmal in die Aufbahrungshalle, in der es nun wieder still und leer ist. Die drei Särge sehen friedlich aus, Frieden erfüllt auch mich. Als käme er einer geheimen Verabredung nach, tritt plötzlich der Herr von der Bestattung neben mich und fragt, ob ich die Toten noch einmal sehen möchte.
    Kann er meine Gedanken lesen?
    Er verriegelt sorgfältig die Türen. Dieser Moment ist nur für die nächsten Angehörigen gedacht. Meine Mutter wollte nicht mitkommen:
    »Nimm es mir nicht übel. Ich will die Kinder so in Erinnerung behalten, wie sie waren, fröhlich und lebendig.«
    Meinen Vater kann ich nicht so schnell finden. Soll ich ihn suchen gehen, um auch diesen Abschied mit ihm gemeinsam zu vollziehen? Nein, irgendwie will ich den allerletzten Schritt gern ganz allein tun. Ich hoffe, er wird mich verstehen.
     
    Es war keine plötzlich aufwallende Emotion, die mich dazu bewog, meine Lieben noch einmal zu sehen. Nicht, um endlich weinen zu können oder um letzte Worte an Heli und die Kinder zu richten, wollte ich die Särge nochmals öffnen lassen. Vielmehr folgte ich dem Rat der nüchtern-vernünftigen Stimme in meinem Kopf.
    Du musst die Toten noch einmal sehen. Das ist wichtig für den Trauerprozess. Du musst es tun, um ihr Scheiden zu akzeptieren.
    Die Stimme meinte es wieder einmal gut mit mir.

    Der Bestatter öffnet die Särge.
    Behutsam streichle ich die Wangen meiner Kinder, ein letztes Mal. Wundere mich, wie weich sie noch sind. Ich drücke Heli einen Kuss auf die Stirn und halte für einen Moment seine kalte Hand. Eine Welle der Liebe erfasst mich.
    Einen Moment später wende ich mich ab, entschlossen, schnell. Ich will das Liebesgefühl behalten, es nicht mit Tränen fortspülen. Der letzte Erinnerungsschnappschuss von Helis Körper ist gemacht, endgültig. Ich akzeptiere und gehe. Die Liebe, sie werde ich mitnehmen. Sie soll mich begleiten, als Abschiedsgeschenk und als Wegzehrung für alles Neue.
    Ein Freund bringt mich nach Hause. Entlang der Straße stehen etwa fünfzig Autos. Mein Garten voller Menschen, ein Lagerfeuer brennt, und es duftet nach Essen.
    Verloren trete ich durchs Gartentor und lande geradewegs in zwei ausgestreckten Armen. Meine Nachbarin. Sie bedankt sich für das schöne Fest und reicht mir ein Geschenk. Hinter ihr steht schon der nächste Gast, der mich sprechen und umarmen will.
    Wie ein Zaunpfahl stehe ich vor meiner eigenen Haustür. Friere. Kann nicht hinein, weil mir das Mitgefühl meiner Freunde den Weg versperrt.
    »Barbara, es ist so schrecklich, wir trauern mit dir.«
    »Du bist so eine starke Frau, ich bewundere dich!«
    Die beiden Sätze wiederholen sich in Endlosschleife.
    Auf beide weiß ich nichts zu antworten.
    Gedankenumwölkt lasse ich meinen Blick über die Menschen schweifen, die sich da um mein Häuschen tummeln.
Genau so habe ich es mir gewünscht. Heimkommen und nicht allein sein. Freundschaft spüren. Geborgen sein. Dass allerdings all diese Freunde sich nun um mich scharen und selbst ratlos,

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