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Vier minus drei

Titel: Vier minus drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Pachl-Eberhart
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Oder meine eigene innere Stimme, genährt von dem, was ich an Helis Seite lernen durfte:
    Er weint, natürlich. Hemmungslos. Und macht sich dann auf die Suche nach dem, was er verloren hat. Neugierig, mit offenen Augen, bereit für Überraschungen, die hinter jeder Ecke warten könnten. Er begrüßt alles, was er findet. Sogar wenn es nicht das ist, wonach er eigentlich suchte.
    Freunde. Blumen. Wärme.
    Freilich kämpft der Clown um das, was ihm wichtig ist. Mit Zähnen und Klauen. Denn Kämpfen macht Spaß. Doch ein sinnloser Kampf interessiert den Clown nicht. Festhalten lohnt sich nur, solange es nichts Neues zu entdecken gibt. Und Neues, das gibt es eigentlich immer.
    Bald schon kann es sein, dass der Clown wieder lacht. Er findet das Lachen, weil er seinen Blickwinkel verändert und Wunderbares entdeckt:
    Den drei Engeln geht es prächtig, denn sie sind im Himmel. Der Himmel ist blau, die Wiese ist warm. Die Engel sind da.

Leben? Bitte warten!
    Der 30. März 2008
     
    Ich bin früh zu Bett gegangen. Gestern, am Tag des Seelenfestes.
    Kurz nach Einbruch der Dunkelheit hatte ich mich bei den Gästen am Lagerfeuer entschuldigt und sie gebeten, noch zu bleiben, bis die Glut erloschen wäre. Meine Freundin Elfi hat die Nacht bei mir verbracht. Gerade aufgewacht, höre ich sie in der Küche ein Lied summen. Kaffeeduft steigt mir in die Nase.
    Elfi hat schon eingekauft und den Tisch gedeckt. Die Sonne wirft freundliche Strahlen auf Semmeln und Marmeladengläser. Nach vielen kalten, windigen Tagen gibt der Frühling endlich ein erstes Gastspiel.
    Ich setze mich, nage unentschlossen an einem Brötchen. Nein, danke, keine Marmelade. Ich bin nicht hungrig. Nicht durstig. Ich spüre eigentlich überhaupt nichts. Elfi zeigt durchs Fenster auf die Blumen im Garten, die bald blühen werden.
    »Bald kommt der Frühling.«
    Ich sollte mich freuen. Es klappt nicht.

    Beiläufig erwähne ich, dass morgen mein Geburtstag ist. Warum tue ich das? Weil ich sonst nichts zu sagen weiß. Zaghaft versuche ich ein Lächeln. Das Lächeln der alten fröhlichen Barbara, aber es will mir nicht recht gelingen.
    Positiv denken. An allem ist etwas Gutes.
    So hatte meine Devise immer gelautet.
    Elfi erinnert sich wohl an diese Frau, die noch bis vor Kurzem in meiner Haut gesteckt hat. Und denkt. Laut und positiv.
    »Der erste Geburtstag deines neuen Lebens, und noch dazu bei Sonnenschein!«
    Ein wenig zu optimistisch. Was jetzt geschieht, damit haben wir beide nicht gerechnet: Ich bekomme einen Weinkrampf. In Sekundenbruchteilen überwältigen mich tausend Bilder aus meinem alten Leben.
    Fini in Badehose, lachend, im Planschbecken. Thimo, eifrig, beim Blumenpflanzen. Heli und ich im Garten, bei Sonnenuntergang, ein Glas Wein in der Hand …
    Was soll das für ein neues Leben sein, in dem all das nicht mehr existiert!?
    Die Erkenntnis bohrt mir tausend Messer ins Herz. Je stärker ich weine, umso größer wird der Schmerz, und doch kann ich die Tränen nicht aufhalten.
    »Ich will kein neues Leben!«
    Elfi ist aufgesprungen und nimmt mich in den Arm. Behutsam spricht sie mit mir mit sanften Worten, streichelt mich mit warmen Händen.
    »Du hast Recht, es ist kein neues Leben. Es ist dein Leben, und es ist so, wie es jetzt ist. Das neue Leben hat noch viel Zeit. Du hast noch viel Zeit.«

    Dankbar nehme ich das Taschentuch, das Elfi mir reicht. Und ein zweites. Das dritte brauche ich nicht mehr. Das Lächeln, das mir nun entwischt, ist echt.
    »Und meinen Geburtstag, den lasse ich einfach ausfallen.«
    »Jawohl!«, bestätigt Elfi, als hätte ich ihr einen militärischen Befehl erteilt.
    Es gelingt mir tatsächlich, zu lachen. Das Lachen gefällt mir besser als die Tränen, es tut nicht so weh. Elfi hat Humor und beweist ihn sogar jetzt. Dankbar kichere ich über jeden Scherz, der ihr einfällt. Der Schmerz soll ruhig draußen bleiben, vor der Tür, und uns nicht weiter beim Frühstück stören.
     
    Ein paar Stunden später.
    »Ich möchte gern eine Vorteilscard kaufen. Wie funktioniert das?«
    Am Bahnhof von Graz. In einer halben Stunde geht mein Zug nach Wien. Zum ersten Mal seit vielen Jahren werde ich die Strecke nicht mit dem Auto zurücklegen, und für diesen Zweck kaufe ich mir gleich einen Ermäßigungsausweis für ein ganzes Jahr. Ich werde noch oft den Zug nehmen. Ich habe ja viel Zeit, neuerdings.
    Im Fotoautomaten studiere ich die neuen Richtlinien für Passbilder.
    Frontal. Neutral. Nicht lächeln.
    Nicht lächeln, das fällt mir

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