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Vier minus drei

Titel: Vier minus drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Pachl-Eberhart
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in die Steiermark, um Hannes und Sabine zu besuchen, ganz von selbst. Sabine brauchte mich nur einzuladen, am selben Abend.
    So einfach war das.
    Gleichwohl will ich meinen Hut ziehen vor dem Schicksal. Vor dem gütigen Puppenspieler, der die Aufgabe übernommen hatte, mich sicher und wohlbehalten in mein neues Leben zu führen.
    Die Dramaturgie war perfekt. Die Rolle des Prinzen war eingeführt, ich hatte Zeit gehabt, mich gedanklich auf ihn vorzubereiten. Heli hatte ich eingeweiht, und es schien mir, als hätte mein unsichtbarer Mann kein Problem mit einem irdischen Nachfolger.
    Hier war ich – eine Frau, die sich mehr und mehr eingestand, dass sie sich nach Nähe sehnte, nach einem realen Menschen, der zu ihr gehörte. Den Gedanken an eine neue
Beziehung hatte ich sorgsam ausgebrütet, in einem Nest, das aus vielen kleinen Ästen gefertigt war:
    Kinderwunsch. Rasenmäher. Lebenssinn, Liebesfähigkeit, Feuerholz.
    Der Ruf des Lebens. Meine überzeugte Suche nach Glück. Mein Glaube an bedingungslose Liebe. Meine Sehnsucht nach spirituellem Austausch.
    Und nicht zuletzt meine glückliche Ehe, die mich gelehrt hatte: Liebe ist stärker als Konflikte. Stärker sogar als der Tod.
    Und da war das Leben – es kam in der Rolle eines sympathischen, klugen, aufmerksamen Mannes, der mich endlich, endgültig herauslocken sollte aus meinem zeitlosen, risikolosen, leblosen Exil. Das Leben reichte mir die Hand – vielmehr: zwei Hände. Hände, die genau wie die meinen Klavier spielen konnten. Die es gewohnt waren, in Buchseiten zu blättern. Die aber auch noch Holz hacken konnten und Tischtennis spielen.
    Zärtliche Hände, die ich nur zu gern ergriff. Das Leben hatte mir so viel genommen und ich hatte keine Wahl gehabt, den Verlust zu akzeptieren. Nun wurde ich beschenkt, und es schien mir nur logisch, auch die schöne Überraschung anzunehmen: die Liebe.
     
    Die Tatsache, dass ich schon vier Monate nach dem Tod meiner Familie das Wagnis einer neuen Beziehung einging, ließ kaum jemanden in meiner Umgebung kalt. Viele wünschten mir alles Glück auf Erden:
    »Das ist genau das, was du jetzt brauchst!«
    Andere waren entsetzt.

    »Es gibt schließlich Traditionen, die soll man nicht mit Füßen treten. Trauerjahr ist Trauerjahr, die Toten wollen geehrt sein. Du kannst Heli doch nicht einfach ersetzen!«
    Auch wenn sich die meisten eines Urteils enthielten, las ich doch in so manchem kritischen Blick eine Frage, vor der mich auch die kleine Stimme in meinem Kopf nicht ganz verschonen wollte.
    Kann das gut gehen?
    Ich wusste es selbst nicht.
    Vermutlich nicht, dachte ich am Abend vor unserem ersten Kennenlernen.
    Ulrich.
    So lange habe ich dich in meinem Kopf spazieren geführt. Habe mir aus den Buchstaben deines Namens einen Traummann zusammengebastelt, der verständnisvoll, liebenswert und geduldig genug ist, mich aufzufangen und durchs Leben zu tragen. Der mich liebt und zugleich meiner Liebe zu Heli nicht im Wege steht. Der mich akzeptiert, so wie ich bin, mit einem unsichtbaren Mann an meiner Seite.
    Meine Erwartungen sind hoch. Du wirst es nicht leicht haben, der Illusion zu entsprechen, die ich mir von dir gemacht habe.

    Ein Fotoalbum. Aufgenommen in den ersten Monaten einer Liebe:

    Eins. Das Kennenlernen .
    Man sieht vier Menschen an einem Tisch. Zwei davon sind ein Paar. Die anderen beiden sollen eines werden. Lachende Gesichter. Eine fröhliche Unterhaltung. Sie und er lernen einander kennen. Sie hat ihn noch nie gesehen und kennt doch seit Wochen seinen Namen. Sie bemüht sich, keine Erwartungen zu haben. Er weiß nichts von dem Plan der Freunde. Die beiden schauen einander immer wieder lange an. Sie ist glücklich, sie fühlt sich lebendig wie schon lange nicht mehr. Er lacht.
     
    Zwei. Sie allein zu Hause, abends nach dem ersten Kuss. Sie liegt auf ihrem Bett und schaut in die Luft. Versucht verzweifelt, ihren Mann zu sehen. Ihren Mann, der zwar unsichtbar ist, aber dennoch da. Ihre eigenen, erst vor Kurzem ausgesprochenen Worte klingen ihr im Ohr.
    Ich habe ja eine Familie. Sie ist eben nur unsichtbar. »Heli, wo gebe ich dich jetzt nur hin?«, fragt sie laut in die Luft.
    Sie nimmt ihr Tagebuch in die Hand und beginnt zu schreiben:
    11.7.2009
     
    Ulrich. Die Begegnung unserer Seelen schickt mich auf eine neue, unbekannte Etappe meiner Reise.
    Hier stehen sie: ein Himmlischer, der zur Erde blickt und mich geleitet mit sicherer und doch
zitternder Hand. Ein Irdischer, der den Himmel ahnt und in mir ein Fenster

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