Vier Morde und ein Hochzeitsfest
großen Umschlag aus dem Kopierladen daraus hervor. Ich weiß auch nicht warum, aber ich hatte vor meinem Treffen mit Morelli Farbkopien von den Fotos angefertigt. Jeweils sechs Bilder passten auf ein Blatt, insgesamt waren es vier Blätter geworden. Ich breitete die Blätter auf meinem Esstisch aus.
Kein schöner Anblick.
Nebeneinander gelegt, wurden bestimmte Dinge auf den Fotos deutlich. Man konnte mit Sicherheit davon ausgehen, dass es sich nur um eine Leiche handelte, und dass es nicht die Leiche eines alten Menschen war. Es war kein graues Haar zu sehen und die Haut war straff. Schwer zu sagen, ob es sich um eine Frau oder um einen jungen Mann handelte. Manche Fotos waren Nahaufnahmen, andere waren aus einem größeren Abstand aufgenommen worden. Es sah nicht so aus, als wären die Leichenteile mehrmals umgeschichtet worden, aber auf manchen Bildem war der Beutel weiter heruntergekrempelt, damit man mehr erkennen konnte.
Also gut, Stephanie, schlüpf in die Haut des Fotografen. Warum nimmst du diese Bilder auf? Als Trophäe? Ich glaube nicht, denn auf keinem war das Gesicht zu erkennen. Und es waren insgesamt vierundzwanzig Bilder, der Film war also vollständig. Wenn ich eine Erinnerung an diesen scheußlichen Akt hätte haben wollen, hätte ich ein Porträt gemacht. Das galt auch für ein mögliches Beweisfoto, dass der Auftrag erledigt war, beispielsweise bei einem Bandenmord. Welche Möglichkeiten blieben da noch übrig? Es war ein Bilddokument, aufgenommen von jemandem, der den Beweis nicht zerstören wollte. Vielleicht hatte Onkel Fred diese Tüte mit Leichenteilen nur zufällig gefunden, hatte sich schleunigst einen Fotoapparat besorgt und die Bilder geschossen. Und was dann? Dann hatte er die Bilder in seine Schreibtischschublade gelegt und verschwand, während er seine Besorgungen erledigte.
Das war meine beste Theorie und wenn sie noch so schwach war. Genauso gut konnte es nämlich sein, dass die Bilder schon vor fünf Jahren aufgenommen worden waren. Vielleicht hatte sich jemand einen makaberen Scherz erlaubt und die Bilder Fred zur sicheren Aufbewahrung gegeben.
Ich steckte die Fotos zurück in den Umschlag und nahm meine Umhängetasche. Die Gegend um das Grand Union herum zu durchkämmen, hielt ich eigentlich für sinnlos, aber ich hatte das Bedürfnis, es trotzdem zu tun.
Ich fuhr in das Wohnviertel hinter der Ladenzeile und stellte den Wagen am Straßenrand ab. Ich nahm meine Taschenlampe und begab mich zu Fuß weiter, spazierte durch Seitenstraßen und Gassen, suchte in Büschen und hinter Mülleimern und rief dabei Freds Namen. Als Kind besaß ich eine Katze namens Katherine. Eines Tages war sie auf unserer Eingangstreppe erschienen und wollte nicht mehr weg. Wir fütterten sie zuerst nur auf der hinteren Veranda, aber irgendwie eroberte sie sich den Weg m die Küche. Nachts verließ sie das Haus und stromerte durch die Gegend, tagsüber schlief sie eingerollt auf meinem Bett. Eines Abends verschwand Katherine und kam nicht mehr zurück. Tagelang durchkämmte ich alle Straßen und Gassen, suchte in Büschen und hinter Mülleimern, und rief dabei ihren Namen, so wie ich jetzt nach Onkel Fred suchte. Meine Mutter behauptete, Katzen würden sich manchmal einfach aus dem Staub machen, wenn es ans Sterben ging. Ich fand, das war ziemlicher Humbug.
Ich fiel um halb fünf Uhr aus dem Bett, torkelte ins Badezimmer und stellte mich so lange unter die Dusche, bis ich die Augen aufbekam. Nach kurzer Zeit fing meine Haut an zu schrumpeln, und ich hatte das Gefühl, dass es reichte. Ich trocknete mich ab und schüttelte den Kopf hin und her – meine Art, mich zu frisieren. Ich hatte keine Ahnung, was Innenausstatter gewöhnlich tragen, also zog ich das an, was ich immer trug, Jeans und T-Shirt. Für den Fall, dass es sich wirklich um Innenausstattung handelte, kamen noch ein Gürtel und eine Jacke hinzu.
Als ich die Tür zum Hintereingang aufstieß, sah ich, dass Ranger bereits auf dem Parkplatz wartete. Er fuhr einen hochglanzpolierten schwarzen Range Rover mit getönten Seitenfenstern. Rangers Wagen waren immer nagelneu und der Grund für ihre Anschaffung nie leicht zu erklären. Auf der Ruckbank saßen drei Männer. Zwei waren Schwarze, der dritte unbestimmter Herkunft. Alle drei hatten den typischen Marinetopfschnitt, und alle drei trugen die Kampfanzüge der SWAT, einer Spezialeinheit der Polizei, die für die Bekämpfung von Schwerkriminalität zuständig ist, und schwarze T-Shirts. Alle
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