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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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zurück. Ankommen, die Schutzweste ablegen, hinsetzen, entspannen. Ein einfacher Rhythmus. Wir hatten uns in dem schimmelbefallenen Rohbau so gut es ging eingerichtet, hatten Poster an die Wände gehängt, improvisierte Möbel aus irgendwelchen Holzresten gebaut. Aber am meisten genoss ich es, in den kurzen Pausen nichts zu tun. Für ein oder zwei Stunden die Beine hochzulegen oder mit meinen amerikanischen Freunden über Belangloses wie die Vorzüge von Fußball gegenüber Baseball zu diskutieren. Nur ein paar Momente fern vom Krieg. Ich war froh, wenn unser Wachplan es erlaubte, die meisten Stunden der Nacht zu schlafen. Stiefel ausziehen, hinlegen, das harte Feldbett vergessen, Augen schließen, die Dunkelheit genießen.
    An einem Nachmittag stürmte der Amerikaner Rico in unseren Schlafraum.
    Come on, Joe, follow me, rief er und lachte laut.
    Sein schelmisches Grinsen verriet, dass er irgendetwas im Schilde führte. Weil ich nur widerstrebend folgte, packte mich der stämmige kleine Kerl und hievte mich auf seine Schultern. Während er mich nach draußen wuchtete, bemerkte ich im Augenwinkel ein kleines Kinderplanschbecken, das mit Wasser gefüllt war. Als ich seine Absicht erkannte, war es schon beinahe zu spät. Wir rangelten einen Moment lang, und er erhielt Hilfe von einem zweiten Amerikaner. Als ich mit einem lauten Platsch ins Wasser flog, grölten die beiden triumphierend. Dann sprangen sie hinterher. Das kleine Planschbecken hatte ein Amerikaner von seiner Schwester mit der Post bekommen. Sie hatten Wasserkanister dabei, um es zu füllen. Und schließlich lagen wir bei fünfundvierzig Grad und schönstem Sonnenschein mitten in Afghanistan in diesem kleinen Planschbecken und genossen die Ruhe.
    In der folgenden Nacht wurden wir ruppig geweckt. Irgendjemand stürmte herein und schüttelte an meinem Schlafsack, so dass ich vor Schreck fast aus meinem Feldbett fiel.
    Alles aufstehen, rief er und verschwand in den nächsten Schlafraum.
    Als ich die Augen aufschlug, stand Muli vor meinem Bett. Komm, wir müssen los!
    Ich schaute mit zusammengekniffenen Augen auf die Uhr an meinem Handgelenk. Es war kurz nach elf Uhr abends. Wir hatten gerade eine knappe Stunde Schlaf hinter uns, nachdem wir von der letzten Wache an der Zufahrt zur Westplatte zurückgekehrt waren.
    Mica schlug gerade die Augen auf. Haben wir Alarm?, fragte er mich mit zusammengepressten Lippen.
    Keine Ahnung. Ich war hundemüde und wollte noch weiterschlafen.
    Wehe, es ist nichts Wichtiges, brummte Hardy, sonst boxe ich jemanden um.
    Umständlich bewegte ich meine Beine in Richtung Feldbettkante und zuckte zusammen, als meine Kniekehlen das kalte Bettgestell berührten. Ich sprang auf. Verdammt, dachte ich, immer dann, wenn wir mal schlafen können.
    Während ich mir mühsam die Schnürsenkel meiner Kampfstiefel zuband, stürmte wieder jemand in den Raum. Es war Wizo.
    Ey, ihr sollt euch beeilen, Mann.
    Ich verließ als Erster den Raum, rannte den Flur hinunter und traf im Aufenthaltsraum auf Muli.
    Wir müssen los, alle Männer in drei Minuten hier in den Nebenraum! Ich muss in den Gefechtsstand.
    Als Muli in dem kleinen Nebenraum erschien, begann er sofort mit Kreide an die nackte Betonwand zu zeichnen, während sich nach und nach der Rest einfand.
    Simbo, der seine Schutzweste schon angezogen hatte, Jonny mit Hardy, der hinter ihm hertrottete, immer noch den Schlaf in den Augen. Während Muli Striche und Linien an die Wand malte, füllte sich der Raum langsam. TJ und Wizo kamen in Begleitung von Nossi, dahinter Dolli, Butch und Russo, ein dickbäuchiger Belgier mit dichtem Bart und noch einige, die ich bisher nicht kannte.
    Als Muli mit dem Bild an der Wand fertig war, trat er einen Schritt zurück und betrachtete sein Werk, als ob er prüfen wollte, dass alles an seinem Platz war. Er ging ein wenig zur Seite und gab den Blick auf die Wand frei. Auf die graublaue Betonwand mit ihren hellen Schimmelflecken hatte er den Grundriss eines Dorfes gemalt. Darin eine Straße, die fast gerade von links nach rechts verlief und am rechten Ende einen Knick nach unten machte, bevor sie am rechten Rand zu einer Brücke führte. Diese hatte Muli mit zwei Strichen oben und unten markiert. Um die Straße herum ein paar Schraffierungen, welche Gebäude darstellten, und ein paar einzelne eckige Kästchen, mit denen bestimmte Häuser hervorgehoben wurden.
    Ich erkannte es sofort. Es war ein Dorf, dessen Namen wir nicht kannten, das aber an der Zufahrt nach Qara

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