Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
mit Geld kaufen noch an billige Arbeitskräfte delegieren kann.
Stress ist auf dem besten Weg, eine Volkskrankheit zu werden, die auch Kinder betrifft. So hat sich die Gesellschaft entwickelt, wofür keine Einzelpersonen verantwortlich gemacht werden können; auf der anderen Seite sind individuelle, existenzielle Entscheidungen erforderlich, um den schädlichen Folgewirkungen auf Erwachsene und Kinder sowie auf das innerfamiliäre Zusammenspiel vorzubeugen oder diese zu begrenzen. Wollen wir integer handeln, oder wollen wir lieber Daumen drücken, die Augen verschließen und darauf hoffen, dass sich schon irgendwie alles regeln wird?
Es kann schon einige Zeit in Anspruch nehmen, um eine Antwort auf diese Frage zu finden. Ihre Unsicherheit hinsichtlich Ihrer Rolle als Ernährerin und Erzieherin ist völlig verständlich. Sie lässt sich nicht wegzaubern. Sie können vielleicht das eine oder andere in Ihrem Arbeitsleben ändern, aber die Mietpreise und Lebenshaltungskosten sind nun mal, wie sie sind. Würden Sie Menschen um Rat fragen, die selbst einen stressbedingten Totalzusammenbruch erlitten haben, würden diese Ihnen zweifellos raten, integer zu handeln, doch können Sie Ihre Hoffnung natürlich auch darauf setzen, dass es bei Ihnen und / oder Ihrer Tochter schon nicht zum Zusammenbruch kommen wird.
Falls Sie sich für Letzteres entscheiden, ist es ein Gebot der Anständigkeit, Ihrer Tochter in die Augen zu blicken und ihr zu sagen: »Ich weiß, dass unser Leben dich krank macht und dich an deinem Wert zweifeln lässt. Das macht mich furchtbar traurig, doch sehe ich im Moment keine andere Lösung, also musst du wohl mit der Mutter leben, die du hast.« So erhalten Sie sich Ihre Glaubwürdigkeit sowie das Vertrauen Ihres Kindes und bewahren Sandra davor, ohne die Führung ihrer Mutter klarkommen zu müssen.
Ein »autonomes« Mädchen?
Wir haben das tollste Mädchen der Welt! Wenn sie sich mal von ihrer guten Seite zeigt, wohlgemerkt. Von ihrer Geburt an hatte sie einen starken Willen und ein heftiges Temperament. Die Leute reden von Trotzalter, doch habe ich das Gefühl, wir erleben diese Phase nun schon seit vier, fünf Jahren. Im Kindergarten ist alles eitel Sonnenschein. Dort zeigt sie in keiner Weise ein auffälliges Verhalten; außerdem haben uns die Betreuerinnen gesagt, es gäbe in den Gruppen viele Kinder, die noch temperamentvoller seien als unsere Tochter. Also scheint mit uns etwas nicht zu stimmen.
Wir haben es mit den üblichen Tricks probiert: einem Belohnungssystem, weniger Spielsachen, einer Auszeit, absoluter Konsequenz – nichts hat bisher geholfen! Mittlerweile sind wir total erschöpft! Das ist furchtbar schade, denn wenn sie ausnahmsweise einmal gut aufgelegt ist, bringen wir nicht mehr die nötige Energie auf, um eine entspannte Zeit mir ihr zu verbringen. Wir loben sie regelmäßig und überschütten sie förmlich mit Liebe, setzen aber auch klare Grenzen.
Wenn ich ihr sage, dass Mama sehr traurig ist, wenn sie sich so benimmt, dann sieht sie mich an und antwortet: »Dann bist du eben traurig!« Sie gibt ständig Widerworte und drückt sich teilweise sehr derb aus. Am schlimmsten ist es aber, wenn sie sich anziehen soll. Alles ist falsch: die Unterhose, die Socken. Sie darf sich die Sachen am Abend zuvor selbst aussuchen, und ich bin die ganze Zeit bei ihr, wenn sie sich anziehen soll. Jeden Tag bekommt sie gewaltige Wutanfälle. Neulich hat es vier Stunden gedauert, bis sie sich wieder beruhigt hat!
Sie kann uns so ungeheuer provozieren, dass ich fast den Verstand verliere. Manchmal müssen mein Mann und ich uns abwechseln, damit wir uns nicht völlig ausgelaugt fühlen. Unsere Tochter liebt es, im Mittelpunkt zu stehen, sie singt und spielt uns jeden Abend etwas vor.
Wir schenken ihr schon so viel Aufmerksamkeit, doch irgendwie scheint es nie genug zu sein.
Ich weiß nicht, was wir noch tun sollen. Ich habe Angst, dass das immer so weitergeht oder noch schlimmer wird. Im Kindergarten sagen sie, dass wir einfach weiter konsequent sein sollen, dann werde sich schon alles zum Guten wenden. Wenn etwas mit ihr nicht stimmen würde, so sagen sie, dann hätten sie es auch im Umgang mit den anderen Kindern oder Betreuerinnen bemerkt.
Gibt es nicht doch noch etwas, das wir tun können?
Zwei völlig erschöpfte Eltern
Antwort von Jesper Juul:
Bei der Antwort auf Ihren Brief muss ich ein paar »Risiken« eingehen, da ich nicht die Möglichkeit hatte, mit Ihnen und Ihrer Familie
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