Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
Mitglieder der Gesellschaft, in der dieses Problem kursiert, sich sehr dafür einsetzen müssen, sich nicht anstecken zu lassen. Das gilt sowohl für private Gemeinschaften wie Familien und Freundeskreise als auch für die Arbeitswelt oder die Gesellschaft im Allgemeinen. Niemand kann sich dem Einfluss dieses Phänomens vollkommen entziehen, doch manche werden stärker beeinflusst als andere und beeinflussen dadurch auch ihr persönliches Umfeld.
Das System funktioniert wechselseitig: Meine Kollegen sind gestresst, deshalb bin ich auch gestresst und setze meine Kollegen noch mehr Stress aus. Oder: Mein Mann ist gestresst und häufig abwesend und trägt nur wenig zur Familie bei, was mich stresst. Meine Kritik und Forderungen stressen ihn, was wiederum die Kinder stresst, deren Symptome uns beide noch stärker stressen. Infolgedessen verlieren wir die Lust auf Sex, was dazu führt, dass wir uns ungenügend fühlen. Auf diese Weise wächst der Stress stets weiter an.
Dieser wechselseitige Prozess ist sowohl ein Naturgesetz als auch ein Produkt unserer sozialen Programmierung, die dazu führt, dass wir der Zusammenarbeit, Anpassung und Konformität allzu oft den Vorzug vor der Wahrung unserer Grenzen und Bedürfnisse geben.
Darum gibt es nur einen Ausweg aus diesem Teufelskreis: die Verantwortung für sein eigenes Leben zu übernehmen.
Wir können aus dem System nicht ausbrechen, aber wir können auf unsere Individualität bestehen und eine gewisse Kontrolle erlangen – zu dem Preis, den alle bezahlen müssen, die Teil einer größeren Gemeinschaft sein wollen. Wir wahren unsere Integrität, indem wir unsere Bedürfnisse höher einschätzen als die der anderen.
Anders funktioniert es nicht. Wir müssen uns also entscheiden für Zusammenarbeit oder dafür, unsere Bedürfnisse in diesem Moment für wichtiger anzusehen. In der Familie sollten wir das je nach Situation tun und unsere Entscheidung immer wieder überprüfen.
Eine solche Wahl hat jeder Erwachsene, nur Kinder haben sie nicht. In diesem Zusammenhang (wie in vielen anderen) kann man erst dann die Verantwortung für das Leben und Wohlergehen seiner Kinder übernehmen, wenn man Verantwortung für sich selbst übernimmt. Kinder sind nicht gestresst, wenn es nicht die gesamte Familie ist. Ungesunder Stress hat nur selten mit der Fülle der Anforderungen und Erwartungen zu tun, sondern damit, wie wir uns zu diesen verhalten. Tatsächlich sind Kinder in der Lage, nahezu unbegrenzte Mengen an Stress zu ertragen, wenn sie »nur« genug Hilfe, Fürsorge und Nähe bekommen, und zwar in einer »Qualität«, die ihnen dabei hilft, den Stress wieder abzubauen. Wenn die ihnen nahestehenden Erwachsenen ihnen jedoch nicht vorleben können, wie man mit Stressreaktionen, die ein normaler Bestandteil des Lebens sind, umgeht, dann ist das für Kinder ein ernstes Problem.
Doch warum bekommen so viele Kinder nicht die Hilfe, die nötig wäre, um Stress abzubauen? Das liegt daran, dass viele Eltern sozusagen Stress mit Stress beantworten. Das geschieht nicht nur in Familien, in denen die Eltern generell von ihrer Arbeit gestresst sind. Stress kann auch aus Perfektionismus oder Unsicherheit heraus entstehen oder aus der Angst, etwas Falsches zu tun. Es kann also ebenso gut eine zu Hause arbeitende Mutter wie ein karrierefixierter Vater sein, die dem Stress ihres Kindes mit eigenem Stress begegnen und damit verhindern, dass ihr Kind zur Ruhe kommt, seinen Stress abbaut, den Kontakt mit sich selbst wiederfindet.
Für größere Kinder geht es vor allem darum, die Nähe eines Erwachsenen zu spüren, der ihnen nahesteht. Im weiteren Verlauf ihrer Kindheit und Jugend brauchen sie erwachsene Rollenmodelle, die ihnen zeigen, wie man verschiedene Formen von Stress im Allgemeinen meistert. Darum ist es das Allerbeste, was Eltern für ihre Kinder (und für sich) tun können, wenn sie bis zur Einschulung circa eine halbe Stunde am Tag mit ihnen spielen – und gerne darüber hinaus, wenn sie das wollen. Elektronische Spiele können dies niemals ersetzen, weil sie nur die Anzahl der äußeren Reize erhöhen, die Kinder von vornherein stressen. Auch wenn Sandra schon aus diesem Alter heraus ist – Spiel entstresst immer, und bestimmt finden Sie auch jetzt noch eine Möglichkeit, die Ihnen beiden Freude bereitet. Kinder brauchen unsere Fürsorge, damit sie lernen, Stress abzubauen, und wir brauchen die Fürsorge für unsere Kinder, weil sie uns eine Lebensqualität verschafft, die man weder
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