Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
und die Hausaufgaben erledigt sie, wenn überhaupt, mehr schlecht als recht. Bei einem Gespräch mit ihrem Lehrer haben wir vereinbart, eine Belohnung auszusetzen, wenn sie ihre Hausaufgaben bis Weihnachten gewissenhaft erledigt, und bis jetzt sieht es vielversprechend aus.
Es fehlt ihr ein bisschen an Selbstvertrauen, und wirklich enge Freundinnen hat sie auch nicht. Auf der Grundschule hat sie am liebsten mit Jungs gespielt. Mittlerweile hängt sie gern mit 19-jährigen Jungen herum. Ich habe versucht, mit ihr darüber zu sprechen, dass ich davon nicht gerade begeistert bin. Doch sie ist ein ziemlich in sich gekehrter Mensch und will nicht über ihre Gefühle reden. Wenn wir irgendetwas von ihr verlangen, zum Beispiel sich an der Hausarbeit zu beteiligen oder die Zeit am Computer zu begrenzen, dann wird sie ziemlich wütend. Sie hat sich auch schon selbst verletzt und sich die Arme aufgeritzt. In dieser Phase hat sie viel mit einer Krankenschwester geredet. Seit zwei Jahren hat sie mit den Selbstverletzungen aufgehört.
Wenn ich lese, was ich bis jetzt geschrieben habe, dann sehe ich, dass bisher kaum von meinem Mann, ihrem Vater, die Rede war. Er ist mit einem älteren Bruder aufgewachsen und musste zu Hause nicht viel Verantwortung übernehmen. Ich wurde mit zwei jüngeren Brüdern groß, meine Mutter blieb mit uns dreien allein, sodass ich frühzeitig Verantwortung übernehmen musste.
In der Familie meines Mannes wurden alle Probleme unter den Teppich gekehrt, was ich als Partnerin merke, doch den Kindern gegenüber verhält er sich anders. Er ist sehr engagiert, in den letzten Jahren noch zunehmend, lässt sich in den Elternbeirat wählen und solche Sachen. Doch bin ich es in der Regel, die zu Hause die Entscheidungen trifft. Ich bin es eben gewohnt, Verantwortung zu übernehmen, und versuche stets, eine Lösung zu finden, wenn ich auf ein Problem stoße. Als ich mit meinem Mann über das Problem gesprochen habe, hatte ich schon entschieden, welche Konsequenzen das Verhalten unserer Tochter haben sollte, doch muss ich auch eine lang fristige Lösung finden, und dazu brauche ich Hilfe!
Die Konsequenz für meine Tochter besteht darin, dass sie von dem Geld, das sie zu Weihnachten bekommt, eine neue Pferdedecke kaufen muss. Außerdem wird sie im nächsten Jahr auch keine Geburtstagsgeschenke bekommen (sie hat im Januar Geburtstag). Zusätzlich muss sie sich in meiner Gegenwart noch mal für ihr Verhalten entschuldigen.
Dies ist ein sehr langer Brief geworden. Ich hoffe, Sie schaffen es, ihn ganz zu lesen und mir vielleicht ein paar Vorschläge zu machen.
Eine Mutter, die dringend Ihren Rat braucht
Antwort von Jesper Juul:
Die Sache mit dem Lügen und Stehlen ist immer ein schwieriges Thema, weil es moralisch so stark belastet ist. Bevor ich also fortfahre, möchte ich feststellen, dass ich Ihre Konsequenzen billige, was den jüngsten Diebstahl angeht. Sie hätten sich auch für andere entscheiden können, doch Ihre Entscheidung ist so weit okay.
Kinder und Jugendliche stehlen nur dann, wenn sie sich als Mensch nicht in Ordnung finden und sich in ihrer Familie nicht wohlfühlen. Das wiegt meines Erachtens viel schwerer als das unmoralische Verhalten Ihrer Tochter. Sie schreiben selbst: »Mir ist sehr daran gelegen, dass alles, was wir tun und sagen, Konsequenzen hat. Darüber habe ich mit meinen Kindern gesprochen und versucht, ihnen bewusst zu machen, dass sie Entscheidungen treffen, die Konsequenzen haben.«
Das mangelnde Wohlbefinden und Verhalten Ihrer Tochter sind die Konsequenzen, die Sie und Ihr Mann auf die eigene Kappe nehmen müssen. Es sind die Konsequenzen der Entscheidungen, die Sie getroffen haben, Ihres persönlichen Hintergrunds, all dessen, was Sie getan und nicht getan haben. Ihre Tochter ist absolut unschuldig, das heißt, im juristischen Sinn hat sie sich natürlich der Diebstähle schuldig gemacht, doch trägt sie ganz sicherlich keine Schuld daran, dass es ihr nicht gut geht.
Sie haben Ihr Bestes getan, und in einigen Punkten war dies für mindestens ein Mitglied in der Familie eben nicht gut genug.
Es ist wichtig, dass Sie und Ihr Mann dies anerkennen, ohne selbst in Schuldgefühle zu verfallen. Jetzt müssen Sie die Verantwortung für eine neue und bessere Beziehung zu Ihrer Tochter übernehmen.
Meiner Einschätzung nach stehen die chancen hierfür am besten, wenn Sie einen professionellen Familientherapeuten zurate ziehen, der Ihnen helfen kann, die notwendigen Korrekturen
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