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Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Titel: Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Juul
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aufzuhören, das sich als nutzlos erwiesen hat.
    Die Alternative besteht darin, mir Ihrer Tochter über ihr Leben zu sprechen, über ihre Gedanken, Träume, Ziele und Unsicherheit, aber dafür müssen Sie sich erst mal qualifizieren. Ihre Rolle als Mutter sowie ihre gemeinsame Geschichte qualifizieren Sie nicht automatisch von selbst. Sie müssen erst eine andere Art des Umgangs finden, zu der Ihre Tochter Vertrauen fasst.
    Sie können natürlich auch das tun, was Teenagereltern von jeher getan haben (und immer noch tun), wenn sie sich hilflos und ohnmächtig vorkommen. Sie können sich entscheiden, Ihre Tochter als »unmöglich« einzustufen, können die nächsten fünf Jahre kämpfen und leiden und sich nachher damit rechtfertigen, dass Ihre Tochter eben extrem schwierig war. Damit sind Ihnen die Sympathie und das Mitleid vieler Erwachsener sicher, doch riskieren Sie damit, dass Sie beide einen schmerzhaft hohen Preis zahlen müssen.

Eine destruktive Trias

    Ich bin ein verheirateter Vater von drei erwachsenen Söhnen. Der jüngste wohnt als einziges Kind nun wieder zu Hause, nachdem er drei Jahre lang im Nachbarort eine Schule besucht und dort auch eine Wohnung hatte. Er ist 19 Jahre alt und das Ein und Alles seiner Mutter. Auch ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Seit er 13 oder 14 war, haben wir eine Reihe von Diskussionen geführt, die ihm offenbar gut gefallen haben. Dabei ging es um Fragen, ob irgendwo im Kosmos Leben existiert, ob Dieselfahrzeuge besser sind als Benziner und Ähnliches. Natürlich hat es auch ernste persönliche Diskussionen gegeben, die sich zum Beispiel darum drehten, wie lange er am Wochenende fortbleiben darf, oder, wie jetzt, über seinen Führerschein und die Sicherheit im Straßenverkehr.
    Sobald bei den Diskussionen zwischen meinem Sohn und mir die unterschiedlichen Standpunkte deutlich geworden waren, kam meine Frau hinzu und stellte sich auf die Seite unseres Sohnes. Nachdem dies mehrere Jahre so gelaufen war, haben wir uns darauf geeinigt, dass sie sich gar nicht mehr in unsere harmlosen Diskussionen einmischen soll. In wichtigen Fragen wollten wir uns zuvor absprechen, ehe wir mit unserem Sohn reden. Aber beides hat nie funktioniert. Sobald ich mit ihm diskutierte, mischte sie sich wieder ein, und wenn wir gemeinsam mit ihm zu diskutieren begannen, löste sich unser gemeinsamer Standpunkt auf, und sie stand doch wieder auf seiner Seite mit dem Argument: »Man kann doch wohl seine Meinung ändern.« So eine Situation führte vor einiger Zeit zu einer ernsten Ehekrise. Als unser Sohn im Nachbarort wohnte, aber oft zu Hause war, kamen solche Konflikte nur sehr selten vor. Doch inzwischen erlebe ich wieder allzu oft diesen Kampf »zwei gegen einen«, was für mich sehr schwierig ist.
    Zwischen mir und meinem Sohn kommt es immer wieder zu spontanen Diskussionen. Die Reaktion meiner Frau lautet meistens: Falscher Ort, falsche Zeit, falsches Thema, falsche Wortwahl (ich kann ein wenig undiplomatisch sein). Nach einer wichtigen Diskussion kommt es auch vor, dass mein Sohn sich ungerecht behandelt fühlt und sauer ist. Meine Frau kann in solchen Situationen immer verstehen, wie er sich fühlt – und leidet dann mit ihm.
    Sie liest ihm jeden Wunsch von den Lippen ab und findet stets einen Grund, ihn zu bemitleiden. Er lässt sich bedienen, denkt aber nicht an eine Gegenleistung. So stellt sich unsere Situation dar.
    Ich sehe zwei mögliche Szenarien:
    Unser Sohn zieht aus (muss er früher oder später ja sowieso), und meine Frau ist unglücklich, weil sie ihn nicht mehr jeden Tag sieht.
    Unsere Dreieckskonflikte haben sich erledigt.
    Unser Sohn bleibt bei uns wohnen, meine Frau ist glücklich, und die ernsthaften »Zusammenstöße (circa dreimal im Jahr) setzen sich fort.
    Danach ist die Stimmung jedes Mal für lange Zeit im Keller – sowohl zwischen uns Ehepartnern als auch bei meinem Sohn, der durchaus bis zu drei Wochen lang beleidigt sein kann. Meinetwegen kann unser Sohn noch jahrelang bei uns wohnen bleiben, doch nicht unter den gegenwärtigen Bedingungen.
    Haben Sie eine Alternative zu seinem Auszug, den meine Frau nicht wünscht?
    Ein ratloser Teenagerpapa

    Antwort von Jesper Juul:
    Ich verstehe Ihren Schmerz darüber, dass Ihre Frau Ihren gemeinsamen Sohn bei jeder Gelegenheit bevorzugt, doch vermute ich, dass dem etwas anderes zugrunde liegt, als Sie glauben. Ich kann mich natürlich irren, doch meine ich herauszuhören, dass Sie ein »typischer Mann« sind, indem

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