Vier zauberhafte Schwestern
Towers führten. In die Türme zu steigen war das Beste überhaupt.
An diesem Mittwoch, als Flora und Sky auf Mäusejagd waren, rannten sie durch das Verkleidungszimmer, in dem Dutzende alte Truhen standen, die randvoll mit Ballkleidern, alten Anzügen und Mänteln, Uniformen mit messingfarbenem Dekor, wundervollen Hüten und langen Federboas waren. Mum sagte, einige dieser Kleider stammten wahrscheinlich noch aus der Zeit, als das Haus erbaut worden war. Jede Cantrip-Generation hatte etwas zu dem Fundus beigetragen. Man konnte sich verkleiden, als was man wollte: als Backfisch aus den 1920er Jahren, als freche Göre aus den 1960er Jahren, als König, als Soldat, als Filmstar oder als Vorderteil eines Esels. Es war alles vorhanden.
Die Schwestern rannten durch das Eisenbahnzimmer, in dem ein riesiger Tisch stand, über den kreuz und quer winzige Gleise liefen. Auf dem ganzen Tisch waren Modellhäuser, Bäume, kleine Figuren und winzige Tiere verteilt. Die Schwestern fanden die Eisenbahn wundervoll. Dad liebte sie auch, als kleiner Junge hatte er stundenlang mit ihr gespielt.
Während Flora und Sky von Raum zu Raum rannten, hielten sie immer wieder inne und ließen ihre Hände über den Boden gleiten, als würden sie die Fläche unter sich scannen. Im letzten Raum – einem Zimmer voller alter Ölgemälde, die an den Wänden lehnten – stand Flora ganz besonders still. Sie kniete sich hin und legte ihre Hände auf den Dielenboden.
»Sie sind hier«, sagte sie. »Ich kann sie spüren.«
Sky kauerte sich neben sie und machte es ihr nach. »Ich auch«, sagte sie.
»Ich kann nicht glauben, dass sie es bis hier oben geschafft haben«, sagte Flora. »Wir müssen sie da raus bekommen, für den Fall, dass es hier Ratten gibt.«
»Ratten?«, quiekte Sky.
»Ja, es sind immer Ratten in der Nähe, egal, wo man ist«, behauptete Flora. »Dad hat mir das erzählt.«
Flora setzte sich auf und dachte kurz nach. Sie war praktisch veranlagt und hatte stets gute Ideen.
»Ich finde, wir sollten hier in diesem Raum auch ein Schälchen mit Futter auf den Boden stellen. Die Mäuse werden es riechen und herauskommen. Ich werde um das Schälchen herum etwas Magie fließen lassen, sodass die Mäuse in eine magische Falle tappen, wenn sie in die Nähe der Sonnenblumenkerne kommen. Ich habe meine Kräfte zwar noch nie auf diese Weise eingesetzt, aber ich denke, es wird funktionieren. Wir können nach ihnen sehen, sobald wir von der Schule zurück sind. Bis dahin wird ihnen schon nichts passieren.«
Fünf Minuten später stand eine Schale mit Sonnenblumenkernen auf dem Dielenboden des Dachbodens. Flora presste ihre Hände flach gegen den Boden und benutzte ihre erdverbundene Kraft, um einen magischen Kreis um die Schüssel zu ziehen.
Dann rannten die beiden Mädchen zum Frühstück nach unten.
Nachdem Mum die vier Schwestern vor der Schule abgesetzt hatte, ging Marina zu ihrer Freundin Janey hinüber. Von allen Cantrip-Schwestern war Marina diejenige, die am häufigsten zu spät kam. Das lag daran, dass sie ständig stehen blieb, um sich mit Leuten zu unterhalten, und darüber die Zeit vergaß – und wohin sie gerade unterwegs war noch dazu. Janey war eine ebenso große Plaudertasche wie Marina, und die beiden quatschten in einem fort.
Der große Schulhof war beinahe menschenleer – alle anderen waren bereits zur Schulversammlung hineingegangen – als Marina und Janey auffiel, dass sie spät dran waren. Während sie auf das Schulgebäude zu gingen, fuhr ein großer silberner Wagen vor.
Es war Verena Glass. Verena kam jeden Morgen als Letzte zur Schule.
Marina verstummte und beobachtete das Auto. Sie konnte die Fahrerin deutlich erkennen: Es war eine Frau mit kantigen Gesichtszügen und blondem Haar, das streng aus dem Gesicht gekämmt war. Verena und die Frau gaben sich keinen Abschiedskuss, als Verena aus dem Auto stieg, was Marina befremdlich fand. In ihrer Familie küssten sich immer alle zur Begrüßung und zum Abschied.
Stattdessen wandte die Frau Marina den Kopf zu und sah sie durchdringend an.
»Warum starrt uns diese Frau so an?«, sagte Janey. »Sie sieht richtig wütend aus.«
Marina besaß viel Selbstvertrauen und kam mit den meisten Menschen gut aus. Sie hatte keine Feinde, und sie hatte keinen Grund anzunehmen, dass sich daran etwas ändern könnte. Deshalb sah sie die Frau eher neugierig als besorgt an.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Marina. »Aber ich denke, sie starrt nur mich an, nicht
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