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Viereinhalb Wochen

Viereinhalb Wochen

Titel: Viereinhalb Wochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Bohg
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um den ›Garten der Sternenkinder‹ – kennen Sie den? Das ist ein Friedhof für Kinder.«
    Ich schluckte. Mir wurde mit einem Schlag klar, wie nah wir dem Ende bereits waren und wie wenig wir uns damit bis jetzt auseinandergesetzt hatten.
    »Sie müssen nicht danach suchen«, sagte ich ihr, »ich finde das auch im Internet. Vielen Dank für den Tipp.«
    Wir verabschiedeten uns, und Frau Dr. Schmidt wünschte uns ganz viel Kraft. Das Gespräch hatte uns noch mal in unserer Entscheidung bestätigt, aber uns auch klargemacht, wie schwer alles war. Wie benommen wankten wir aus dem Krankenhaus, jeder in eine andere Richtung: Tibor musste wieder ins Büro. Gleich am selben Tag wollte er seine Chefin darüber informieren, dass er nur mehr auf Abruf bei der Arbeit sei, weil es jederzeit losgehen könne …
    Ich machte mich auf den Weg nach Hause, wobei ich keine Zeit hatte, in Panik oder Trauer zu verfallen, weil auf einmal so viel zu erledigen war: Ich musste ein Taxiunternehmen raussuchen, für die Fahrt ins Krankenhaus. Ich musste Geld für diese Fahrt abheben. Ich musste meine Sachen packen, für den Notfall, und etwas für Tibor, weil er auf jeden Fall bei mir im Krankenhaus bleiben wollte. Aber zuerst machte ich an unserem Lieblings-Dönerimbiss Halt, weil mir fast schlecht war vor Hunger.
    »Soße?«
    Ich zögerte.
    »Na ja, scharf machen wir lieber nicht«, sagte der Mann hinter der Theke lächelnd, mit einem Blick auf meinen Bauch. Jetzt musste ich auch lächeln, obwohl mir nicht danach zumute war.
    »Mein kleiner Neuköllner will noch einen Döner essen«, murmelte ich zärtlich in Richtung meines Bauches. Sollte das sein letzter sein? Dieser Gedanke durchfuhr mich jetzt bei allen meinen Handlungen. Sollte das das letzte Mal sein für Julius? Sobald ich zu Hause ankam, erschien auf meinem Handy eine SMS von Tibor:
    Ich liebe dich und den kleinen Julius über alles. Wir werden das so durchgehen, wie Gott es geplant hat. Du bist die beste Mutti, die der Kleine haben kann!
    Ich antwortete umgehend, und so entstand ein ganzes Gespräch:
    Ich:
Danke dir so sehr! Schluchz. Sind gut daheim angekommen. Hab kurz mit Tanja gesprochen. Sie weiß Bescheid und hat gesagt, das Einzige was ich machen kann, ist hinlegen, Hände auf den Bauch und ganz tief ein- und ausatmen. Das mach ich jetzt.
    Tibor:
Ja, mach das, Süße. Ich bete für dich.
    Ich:
Danke. Ich hoffe, Chefin hat Verständnis? Auch wegen möglicher Urlaubstage?
    Tibor:
Konnte sie noch nicht sprechen
    Ich:
Ich bete, dass auch dieses Gespräch gut wird. Wir stehen das zusammen alles durch. Ich liebe dich
    Tibor:
Dito. Kuss Kuss
    Ich sprach mit einem Taxiunternehmen, lernte das Wort »Storchenfahrt«, dass man im entscheidenden Moment sagen musste, um absolute Priorität zu haben bei der Bestellung, und speicherte die Rufnummer ein. Dann sandte ich E-Mails an meine Freunde in den USA mit der Bitte, für uns zu beten. An Susel schrieb ich eine SMS :
    Bitte bete für mich, habe vorzeitige Wehen. Sein Wille soll geschehen. Wenn Julius tatsächlich schon in den nächsten Tagen kommen soll, dann soll es so sein. Ich hoffe so sehr, dass es nicht so ist. Bitte nicht anrufen, ich melde mich. Danke dir.
    Die Antwort von Susel kam prompt:
    Wir beten. Gib Zeichen, wenn ich anrufen darf. Viel Kraft und Gott befohlen.
    Später erzählte Susel mir, dass sie sofort nach der SMS ihre Schwester angerufen habe und ihre Pfarrerin. Beiden erzählte sie knapp, was nun passieren würde mit mir, und beiden gab sie einen klaren Auftrag:
    »Es geht los bei Constanze. Betet für sie!«
    Ich wusste das damals nicht, aber ich ahnte schon, dass nun ein paar Menschen an mich denken würden.
    Danke dir. Muss mich erst mal beruhigen. Melde mich.
    Doch was jetzt? Die Schmerzen waren da, sie wurden nicht schwächer. Mühsam stand ich wieder auf, packte langsam die Sachen zusammen. Ich wollte das umherstehende Geschirr abwaschen, merkte aber, dass ich nicht mehr richtig stehen konnte, und ließ es bleiben. Die Wehen waren stark, aber unregelmäßig. Ich versuchte, die Abstände mit meinem Handy zu stoppen, aber mir gelang das nicht. Ich konnte keinen Rhythmus erkennen in meinem Körper.
    Ich packte noch mühselig ein paar Sachen ein und stieß dabei wieder auf das wunderschöne »Mamibuch«. Ich nahm es ins Bett mit, weil es so eine Art Anleitungsbuch für Schwangere war. Nun musste ich viele Kapitel, die ich noch gar nicht gelesen hatte, überspringen, denn das Lesezeichen lag beim Kapitel für

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