Viereinhalb Wochen
Nötigste unternehmen, nachdem Sie es mit uns abgeklärt haben.
Alle Untersuchungen bei Julius bitte in unserer Gegenwart durchführen. Falls er jedoch das Zimmer verlassen muss, muss immer einer von uns dabei sein.
Wir wissen nicht, wann Gott Julius aus diesem Leben abberufen wird, und so möchten wir, dass er aus unseren Armen nach Hause geht und nicht von einem Untersuchungstisch aus.
Wenn es möglich ist, möchten wir Julius baden.
Wir wollen Julius eigene mitgebrachte Kleidung anziehen.
Falls Julius lang genug lebt, dass er Nahrung braucht, möchten wir es in folgender Reihenfolge versuchen:
Stillen
Milch abpumpen und mit der Stillhilfe-Flasche von Medela geben
Bitte keine Vitamin-K-Spritze, Augencreme oder Tropfen verabreichen.
Wenn es Zeit ist, soll der Bestattungsdienst unseren Sohn von uns holen.
Wir würden bitte gern folgende Erinnerungsstücke mitnehmen bzw. machen lassen:
Karte vom Bettchen mit allem, was draufsteht
Kleider/Decken
Armbändchen
Fuß- und Handabdrücke
Fotos
Herzlichen Dank dem Geburtsteam für die Rücksichtnahme auf unseren Geburtsplan!
Julius’ Eltern Tibor und Constanze Bohg
Ich hatte so einen Geburtsplan von Noemi als Vorlage zugeschickt bekommen, der Mutter von Joseph, mit der ich in den viereinhalb Wochen einmal telefoniert hatte. Wir hatten in der Zeit nach der Entscheidung ein paar E-Mails ausgetauscht, eine davon enthielt diesen Geburtsplan. Ich musste nur wenige Punkte ändern, um ihren Plan an die spezielle Situation von Julius anzupassen. Wir wollten diesen Geburtsplan baldmöglichst mit den Ärzten im St. Joseph Krankenhaus besprechen, auch wenn der errechnete Termin erst der 18 . November war. Sobald dieser Plan abgestimmt war, wollten wir eine Kopie in meinen Mutterpass legen, damit ich ihn im entscheidenden Moment immer mit dabeihätte.
Außerdem kümmerte ich mich um eine Hebamme für die Vor- und auch die Nachsorge zur Geburt. Diejenigen, die Erfahrung hatten mit Fällen wie unserem und mir vom Krankenhaus empfohlen wurden, befanden sich in der Zeit des errechneten Termins allesamt im bereits geplanten Urlaub. Ich war frustriert. Ich wollte nicht irgendeine Hebamme – ich wollte eine Spezialistin, die sich mit solch seltenen Fällen auskennt. Nachdem ich nun inzwischen auf die siebenundzwanzigste SSW zuging und keine anderen Schwangeren oder frischgebackenen Mütter kannte, die mich mit Tipps versorgen konnten, suchte ich im Berliner Hebammenverzeichnis diejenige, die am nächsten zu unserer Wohnung lebte. Sie hieß Tanja. Ich schilderte ihr am Telefon kurz unsere Situation, und sie erklärte sich sofort bereit, auch wenn sie einen solchen Fall noch nie zuvor betreut hatte. Wir waren einander bereits am Telefon sympathisch, deshalb willigte auch ich ein.
Mein positiver Eindruck bestätigte sich, als sie zum ersten Hausbesuch vorbeikam. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, zusammen mit anderen Schwangeren und werdenden Vätern in einen Geburtsvorbereitungskurs zu gehen, das hätten wir beide kräftemäßig nicht geschafft, und Tanja verstand das auf Anhieb. Sie stimmte sofort zu, die Vorbereitung mit Tibor und mir bei uns in der Wohnung zu machen. Sie streichelte meinen Bauch und untersuchte die Lage von Julius, die sie mir anhand eines Plüschäffchens demonstrierte:
»So liegt er da, ganz richtig, wie das sein muss, mit dem Kopf nach unten. Und wenn ich nächsten Dienstagabend das erste Mal zum Vorbereitungskurs komme, dann zeige ich Tibor, wie sein Sohnemann in deinem Bauch liegt …«
[home]
Es wird ernst
E s begann auf der Kuppel des Berliner Reichstages: Die wollte ich zusammen mit Sebastian und David am frühen Freitagmorgen besichtigen. David ist Tibors Cousin, der aus Australien zu Besuch in Berlin war. Mittags wollte David nach London weiterfliegen, vorher war aber noch der Reichstag dran. Wir mussten kurz anstehen, trotz Voranmeldung und mitgebrachter Ausweise, und ich fragte mich im Stillen, warum ich mir das angetan hatte – sicher war ich schon fünf Mal dort oben gewesen, mit allen unseren Berlinbesuchern war ich die Spirale in die Glaskuppel hinaufgegangen. Aber an diesem Tag ging es nicht! Mir krampfte ein Schmerz im Rücken, der sich anfühlte wie eine Nierenkolik, so dass mich meine Begleiter besorgt ansahen.
»Du musst zum Arzt«, mahnte Tibor, der uns noch bis zum Eingang begleitet hatte, voll Mitgefühl, bevor er ins Büro fuhr.
Ich winkte ab. Warum sollte ich ausgerechnet jetzt eine
Weitere Kostenlose Bücher