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Viereinhalb Wochen

Viereinhalb Wochen

Titel: Viereinhalb Wochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Bohg
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den sechsten Monat, das ich nun nicht mehr brauchte. Ich fing gleich beim Abschnitt Geburt zu lesen an, das überschrieben war mit:
    Kapitel elf: Jetzt kommst du
    Ich las von dicken Socken fürs Krankenhaus (»kalte Füße, schlechte Wehen«), von Tipps für das Packen der Tasche, von Dokumenten, während ich merkte, dass die Schmerzen stärker wurden. Ich ließ das Buch sinken und versuchte, mich nur auf mich selbst zu konzentrieren. Auf meine Atmung. Mir fiel ein, dass für den nächsten Tag der erste Geburtsvorbereitungskurs mit meiner Hebamme geplant war. Ob es dafür schon zu spät war?
    Ich atmete und atmete, weil ich irgendwo gelesen hatte, dass eine entspannte Geburt sehr viel mit der richtigen Atmung zusammenhing. Dabei beruhigte ich mich ein wenig.
    »Alles ist in Ordnung«, flüsterte ich Julius und auch mir selbst zu.
    Langsam wurde ich ruhiger, auch wenn die Krämpfe nicht weniger wurden. Nach einer Weile wusste ich mir nicht anders zu helfen, als nach meinem Handy zu greifen und eine Nachricht zu schreiben:
    Ich:
Kannst Du asap los machen? Wird irgendwie nicht besser.
    Tibor:
Ja mache ich. Mach gleich los.
    Ich:
Dank dir
    Tibor:
Steige gleich in die
7
.
    Ich:
So froh. Danke.
    Tibor:
Bis gleich, Süße.
    Weinend ließ ich mich ins Bett zurücksinken. In meinem Kopf ratterten tausend Gedanken, alles nur praktisches Zeug: Dokumente? Kleidung? Welche Schuhe? Geld? Mein Kopf war voll damit, bis wieder die Tränen kamen.
    Mein Kind! Wie lange kann ich dich noch haben?

[home]
    Julius Felix!
    A ls Tibor endlich zur Wohnungstür hereinkam, hing ich, auf dem Boden kniend, mit meinem Oberkörper auf der Bettkante, weil mir alle anderen Positionen noch unmöglicher erschienen. Tibor fing sofort an, mir den Rücken zu massieren, aber das machte die Sache nicht besser. Ich musste alle meine Kräfte aufbieten, um freundlich und ruhig zu bleiben, wie ich es mir vorgenommen hatte, was mir aber nicht leichtfiel.
    »Bitte nicht …!«
    Suse hatte mir das genauso erzählt, erinnerte ich mich, bei der Geburt ihres Sohnes war es nicht anders. Streicheln, tätscheln, massieren ging auch bei ihr nicht mehr, wegen der Schmerzen bei der Geburt. Bei der Geburt?, schoss es mir durch den Kopf. War ich schon so weit?
    »Ich weiß nicht, ob wir nicht lieber doch schon heute ins Krankenhaus fahren – lieber lass ich mich wieder heimschicken, aber die Krämpfe werden nicht besser. Noch so eine Nacht überstehe ich nicht«, presste ich zwischen den Schmerzschüben hervor. Ich versuchte wieder, die Zeitintervalle zu stoppen – nun war ich tatsächlich in der Lage, Wehen im Abstand von vier Minuten zu stoppen. Ich bat Tibor, noch das Geschirr in der Küche abzuspülen. Eigentlich absurd, aber so war es eben in diesem Moment – wir wollten bei unserer Rückkehr nichts aufräumen oder spülen müssen. Während ich versuchte, halbwegs ruhig weiter zu atmen, so tief es ging, räumte Tibor schnell die Küche auf und packte die restlichen Sachen in die Tasche fürs Krankenhaus.
    Um acht Uhr abends kamen die Wehen alle drei Minuten. Ich wählte in einer Wehenpause die Nummer der Taxifunkzentrale. Wie hieß noch mal das verdammte Wort, das ich sagen sollte, damit es dringender ist?
    »Ich … Wir … Ich habe alle drei Minuten Wehen!«
    »In spätestens vier Minuten ist ein Taxi vor der Haustür! Alles Gute!«, kam es wie aus der Pistole geschossen aus dem Hörer.
    Benommen rappelte ich mich auf und wankte auf Tibor gestützt langsam Schritt für Schritt die vier Stockwerke hinunter auf die Straße.
    »Storchenfahrt«, murmelte ich mit verzerrtem Gesicht …
    Tibor schaute mich fragend an, aber ich winkte nur ab. Das Taxi wartete bereits. Ein niegelnagelneuer Mercedes.
    Sobald ich saß, ging es besser. Ich klammerte mich an den Haltegriff über der Tür.
JC
-Bars
nennt man die in Australien, hatte mir David erzählt, fuhr es mir durch den Kopf,
Jesus Christ-Bars,
weil die Passagiere sich in gefährlichen Situationen dran klammern und »Jesus Christ« rufen. Ich wunderte mich selbst darüber, was mir in diesen Momenten alles durch den Kopf ging …
    »Ist das Ihr erstes Kind?«, fragte der Taxifahrer, mit besorgtem Blick in den Rückspiegel. Hatte er Angst um die Bezüge seiner Rückbank?
    »Ja, unser erstes Kind, ein Sohn.«
    Atmen!
    Die Antwort schien ihn nicht sonderlich zu beruhigen, denn der Mann trat noch mehr aufs Gaspedal. Das war mir recht, und wir hatten ohnehin fast nur grüne Ampeln. Ich öffnete das Fenster. Es roch nach

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