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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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… jetzt weiß ich wieder. Die haben sich „Die Diehl-Zwillinge“ genannt, also war es die Schwester. Ich hab' sogar ein Foto von denen gesehen, allerdings ohne irgendwelche Kostüme.“
    „Aber Sie waren ja nicht im Keller von der Frau Diehl, Sie haben ja-“
    „Moment bitte“, unterbreche ich Strauss. „Die Frau Diehl hat auch gemeint, dass sie mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in die Wohnung gezogen ist, irgendwann nach dem Krieg. Die haben also alle drei in dem Haus gewohnt. Und wer weiß, vielleicht war das ja eine Artistenfamilie. Vielleicht hat die Frau Diehl zusammen mit ihrer Schwester gesungen und getanzt und die Mutter oder der Vater sind in diesem Kostüm aufgetreten. Sie meinten ja auch, dass das sehr alt sein kann, vielleicht aus den 20er Jahren, das würde doch zeitlich hinkommen.“
    „Von einem Vater hat die Frau Diehl aber nichts erzählt, oder?“
    „Nein, nur von ihrer Mutter und der Schwester. Aber wenn es Kinder gibt, muss ja auch irgendwo ein Vater sein.“
    Strauss geht zu seinem Lehnstuhl, lässt sich stöhnend hinein sinken. Anscheinend hat ihn seine Begeisterung Kraft gekostet.
    „Ich werde schnell müde, bitte nehmen Sie doch auch wieder Platz.“
    Ich setze mich ihm gegenüber.
    „Möchten Sie etwas trinken, Frau Pander? Nein? Gut, ähm … zu dem Vater noch einmal: Viele Männer sind ja im Krieg gefallen, deshalb war es in den 40ern und 50ern durchaus keine Seltenheit, dass Mütter alleine mit ihren Kindern gelebt haben. Die mussten sich dann eben durchschlagen … auf welche Weise auch immer. Ihr letzter Besuch bei Frau Diehl verlief ja nicht gerade ideal, wenn ich mich recht erinnere.“
    „Das ist noch untertrieben. Die hätte mich am liebsten gevierteilt.“
    „Könnten Sie trotzdem versuchen, mit der alten Dame wieder Kontakt aufzunehmen? Vielleicht ist sie der Schlüssel zum Verständnis dessen, was in diesem Haus schon seit Jahrzehnten vor sich geht.“
    Ich verspreche Strauss, es zu versuchen. Ich habe bloß keine Ahnung wie. Mir kommen die blödesten Ideen. Ich könnte mich ja als jemand vom Pflegedienst verkleiden, vielleicht hat sie so schlechte Augen, dass sie mich nicht erkennt: Hallo Frau Diehl, wie geht es Ihrem Fuß? Ach, schon besser? Na dann mal heraus mit der Sprache, was hat es mit diesem Kostüm auf sich? … Eigentlich müsste ich mich nicht einmal verkleiden, ich habe ja den Generalschlüssel. Ich könnte einfach in die Wohnung spazieren und die alte Dame zur Rede stellen. Scheiße, was ist denn mit mir los? Bricht da gerade meine kriminelle Ader durch?
    „Frau Pander, ich bin mir sicher, dass Ihre Nachbarin dieses Kostüm erstens kennt, und dass sie zweitens ganz genau weiß, wer es getragen hat. Vielleicht ist sogar sie selbst in diesem Kostüm aufgetreten.“
    Ja, das kann ja alles sein. Trotzdem weiß ich nicht, wie ich mit ihr Kontakt aufnehmen soll. Soll ich ihr 'nen Kuchen vor die Tür stellen? Was mag Frau Diehl? Himbeer-Sellerie oder doch eher Kohlrabi-Kirsch? Kohlrabi-Himbeere hatten wir ja schon.
    Ich verspreche Strauss zum zweiten Mal, es zu versuchen. Anschließend sitzen wir, ich und der Professor mit dem Krebs, uns noch über eine Stunde gegenüber, gehalten von gepolstertem Leder, umgeben von Regalen voller Bücher, abstrakter Kunst und afrikanischen Masken. Zwei Meter von uns entfernt das Affenkostüm, eine der Lederhände sieht aus, als weise sie in meine Richtung.
    Ich erzähle Strauss, was ich seit unserem letzten Telefonat erlebt habe. Ich berichte ihm von meiner nächtlichen Begegnung mit dem Kind … und natürlich von den Händen, die plötzlich erschienen sind und damit begonnen haben, diese Verbände zu lösen. Ich erzähle von meinen Problemen mit Paula, die mich als mehr oder weniger verrückt betrachtet, und von dem großen schwarzen Vogel, der mich besucht hat, um sich eine Scheibe Salami spendieren zu lassen. Auch berichte ich ihm von Tobias und Kerstin und bitte ihn, die beiden unserem Vermieter gegenüber nicht zu erwähnen.
    „Keine Sorge, Herr Egner und ich sind sowieso nur entfernte Bekannte.“
    Strauss stellt nur wenige Fragen, lässt mich erzählen, hakt nur hin und wieder nach. Nach fast einer Stunde habe ich den Eindruck, dass Strauss die Luft ausgeht. Er sinkt in sich zusammen, wird fast aufgesogen von dem großen Lehnstuhl. Vorhin hat er einige Male die Augen geschlossen, immer nur kurz, immer nur so, dass es ganz knapp noch als verlängertes Blinzeln durchgehen konnte. Es wird Zeit, dass ich

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