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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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auf seinem Schmerzmittel-Ozean Richtung Horizont davon segelte. Strauss ist am Ende, mit sich selbst und seinem Sterben beschäftigt. Kalt und klar kommt die Erkenntnis: Dr. Dr. Strauss ist keine Hilfe mehr.
    Ein Blick nach oben. Nein, da steht niemand. Nicht Paula und auch niemand sonst. Ich gehe zurück ins Haus und steige die Treppen in den vierten Stock hoch. Langsam, peinlich darauf bedacht, nicht gehört zu werden, schleiche ich mich zu der Tür, hinter der die Wohnung liegt, die das Zentrum des Spuks ist. Wie eine Trophäe betrachte ich den erbeuteten Generalschlüssel, drehe ihn in der Hand, bevor ich ihn ins Schloss stecke. Jetzt geradeaus und dann links. Der Schaukelstuhl steht noch so, wie ich ihn stehen gelassen habe. Er steht da und bewegt sich keinen Millimeter. Schläfst du tagsüber, verdammtes Miststück? Gehst du nur nachts um? Nein, du bist kein armes, kleines Mädchen mit entstelltem Gesicht. Du bist gemein, du bist hinterhältig … ich fühle deine kalte Verkommenheit. Als du zu mir ins Bett gekommen bist, da wolltest du mir Angst machen. Lebst du von der Angst der Menschen? Frisst du Menschenangst?
    Der Schaukelstuhl steht noch da, wie ich ihn habe stehen lassen, auch das Haarbüschel steckt dort, wo ich es gefunden habe. Ich ziehe es mit spitzen Fingern heraus, öffne das Fenster und lasse es – haha! – hinunter segeln. Einige Sekunden sieht es so aus, als würde es der Klumpen bis auf den Rasen schaffen, dann aber ändert er mit einem eleganten Schlenker die Richtung. So, du Miststück. Das waren deine scheiß Haare und jetzt sind sie weg. Was willst du dagegen tun? Runter gehen und sie suchen? Kurz sieht es so aus, als würde das platte Büschel auf der Motorhaube meines Autos landen, dann aber ändert es noch einmal die Richtung und berührt etwa zwei Meter vor meinem Wagen den Boden. Von hier oben ist das Gebilde nur noch zu erahnen, wüsste ich nicht, dass es da ist, würde ich es nicht bemerken.
    Bevor ich die Wohnung verlasse, reiße ich die alte Tapete, unter der ich die Haare gefunden habe, noch ein wenig weiter auf. Nein, da ist nichts mehr. Nichts, das ich aus dem Fenster werfen könnte … nichts von ihr.
     
    ***
     
    Eine weitere Nacht ist vergangen, die dritte Nacht im Haus meiner Eltern, in meinem alten, nur einen Meter breiten Fichtenholzbett. Als unsere Beziehung noch ganz frisch war, da versuchte Paula mich zu überreden, es mit ihr in diesem Bett zu machen. Aber ich wollte nicht, irgendwie hatte ich Schiss, meine Eltern würden später was bemerken … irgendeinen Geruch … oder Flecken auf der Bettwäsche. Apropos Wäsche: Warum hat eigentlich meine Mutter gestern das Bett frisch bezogen? Und warum hat sie diese alte Wäsche aus meiner Jugendzeit genommen, die mit den verblichenen Ponys drauf? Denkt sie, dass mich das aufmuntert? Denkt sie, ihr trauriges kleines Mädchen hat Ponys nötig?
    Es ist neun Uhr morgens. Ich habe das Frühstück hinter mich gebracht und die Fragen meiner Eltern ins Leere laufen lassen. Sie haben eingesehen, dass ich nicht reden will. Ich will einfach nur los, etwas unternehmen, etwas versuchen, zurück zum Haus und zurück zu Paula.
    Beinahe hätte ich es ja geschafft, gestern im Herbsthaus zu übernachten. Ich verbrachte den Tag zusammen mit meinen Kopfschmerzen an der Universität, gegen sechs kaufte ich mir endlich eine Packung Aspirin, und kurz vor acht war ich wieder im Herbsthaus. Ich sah nach, ob Kerstin und Tobias da sind, waren sie aber nicht. Dann stieg ich nach oben in den sechsten Stock und setzte mich in die Wohnung mit den Insekten hinter Glas, keine Ahnung, warum mich dieser Ort so anzieht, wahrscheinlich weil sich die Viecher noch nie bewegt haben … wahrscheinlich weil diese Wohnung auf eigene Art unheimlich ist, aber dennoch nichts Unheimliches in ihr passiert.
    Völlig regungslos, fast wie eines dieser aufgespießten und ausgetrockneten Insekten, hockte ich in meine Autodecke gewickelt auf dem Boden, hielt meine Beine umfasst und hoffte auf Lärm. Ich stelle mir vor, gleich Paulas Hilfeschreie zu hören, durch zwei Stockwerke hindurch, durch Stahl, Beton, Holz und platt getrampelten Teppich. Ich stelle mir vor, nach unten zu rennen und sie in meine Arme zu schließen. Ist ja alles gut, mein Schatz, ist ja alles gut, wir müssen nur raus hier. Los, komm … komm einfach mit mir mit. Nur schnell raus hier, weg von ihr!
    Aber Paula schrie nicht um Hilfe, niemand schrie. Ich saß auf meinem Arsch und mit der Kälte, die nach

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