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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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zuziehen.”
    „Okay … ähm, wie ist das eigentlich mit der Frau Diehl? Braucht die irgendwie Hilfe?”
    „Also da müssen Sie sich nicht kümmern. Da kommt ja der Pflegedienst. Aber sie können die alte Dame vielleicht mal besuchen, dass die 'n bisschen Abwechslung hat.”
    Herr Brandt drückt eine Tür auf und wir betreten den dritten Stock. Am leeren Aufzugschacht, einem Feuerlöscher und einem Graffiti (Tobi lutscht Schwäntze) vorbei gehen wir Richtung Flur. Es riecht ganz leicht nach Rauch.
    „Merken Sie das? Vor zwei Jahren hat es hier gebrannt und man riecht das immer noch.”
    Ja, ich merke es, der Geruch ist unangenehm. Das ist kein reiner Brandgeruch, darin liegt etwas Muffiges, etwas Feuchtes. Sicher war hier alles nass vom Löschwasser und dann hat sich Schimmel ausgebreitet. Die Stimme des Hausmeisters unterbricht meine Gedanken:
    „Nach dem Feuer hat ja das ganze Haus gestunken, der Geruch ist durch die Decken und Wände durchgewandert. Aber jetzt hat sich das größtenteils verzogen … also bis eben auf diesem Stockwerk hier.”
    Wir betreten den kreisrunden Flur, an dem die Wohnungstüren liegen. Er sieht genauso aus wie der Flur im vierten Stock. In der Mitte der Schacht zum Innenhof. Eine der Türen ist ausgebeult und der Lack hat Blasen geworfen. Um die Tür herum ist die Wand geschwärzt. Was für eine Scheiße … bei lebendigem Leib zu verbrennen. Der Hausmeister deutet in Richtung der verbeulten Tür.
    „Das is die Wohnung von dem Herrn, der mit der Zigarette eingeschlafen ist. Der ist wahrscheinlich schon durch den Rauch tot gewesen, der hat das dann nicht mehr mitbekommen, wie er gebrannt hat.”
    Kann der Typ Gedanken lesen? Ist dieser graue Pferdeschwanz eine Art Antenne?
    „Die Feuerlöscher sind übrigens gefüllt und kontrolliert. Aber wenn es hier mal richtig brennen sollte, dann nichts wie raus und die Feuerwehr rufen. Sie müssen nicht den Helden spielen und versuchen, das selbst zu löschen … also außer wenn das nur ganz klein ist.”
    „Keine Sorge, ich spiele nicht den Helden.”
    „Und wie gesagt, wenn Leute im Haus sind, die nicht hierher gehören, dann direkt die Polizei rufen. Nicht den Helden spielen.”
    „Klar, nicht den Helden spielen. Hab' schon verstanden.”
    Herr Brandt kramt in seiner Latzhose und zieht ein zerknittertes Päckchen heraus. Aus dem Päckchen schüttelt er sich ein Häufchen dunkelbrauner Brösel auf den Rücken seiner linken Hand. Was ist das? Schnupftabak?
    „Wollen Sie?”
    Er hält mir seine große, von dicken Adern überzogene Hand hin. Darauf der Bröselhaufen.
    „Ähm … nee, danke.”
    Was zum Teufel denkt der sich? Dass ich ihm das Zeug von der Hand schnupfe? Was kommt als nächstes? Bietet er mir gleich 'ne Crack-Pfeife an?
    Herr Brandt zieht sich das Zeug lautstark durchs rechte Nasenloch, macht eine Grimasse, verdreht die rot geäderten Augäpfel nach oben und schüttelt sich. Irgendwie faszinierend, der gesamte Mann ist in Bewegung.
    „Ha! Es gibt nichts Besseres”, ruft er laut aus. Und dann:
    „Ich muss jetzt mal aufs Klo.”
    Während ich noch überlege, ob zwischen dem Schnupftabak und dem Drang zum Klo irgendein Zusammenhang besteht, macht sich Herr Brandt schon an einer der Türen zu schaffen. Es ist nicht die mit den Brandblasen. Er verschwindet in der Wohnung und ich stehe alleine da. Der hat doch nicht wirklich gedacht, dass ich ihm dieses Bröselzeug vom Handrücken schnupfe. Sollte das gerade so eine Art Annäherungsversuch werden?
    Ich höre seine Schritte und dann einen Knall … Klodeckel gegen Spülkasten. Brandt hat die Wohnungstür einen Spalt offen stehen lassen. Okay, jetzt müssten gleich Pinkelgeräusche kommen. Es dauert zwei Sekunden, drei Sekunden … hat er Probleme mit der Prostata? Während ich so dastehe und auf das Plätschern hausmeisterlichen Urins warte, komme ich mir plötzlich ein wenig abartig vor. Das muss nun wirklich nicht sein. Ich schüttle den Kopf und mache eine Runde durch den Flur, gehe einmal im Kreis und komme an einer braungrauen, völlig verschrumpelten Topfpflanze vorbei. Langsam wird es dunkel, ist hier irgendwo ein Lichtschalter? Und ähm … wieso steht die Tür nicht mehr offen, als ich wieder an ihr vorbei komme? Hat Herr Brandt sie doch noch zugemacht? Kann er nicht pinkeln, wenn er sich belauscht glaubt? Oder war das überhaupt nicht diese Tür?
    Es ist völlig still auf diesem Stockwerk und noch etwas stimmt nicht, ich komme nicht drauf. Ich gehe ein paar Schritte

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