Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
besteht darauf, dass auf jeden gepackten Karton eine Nummer kommt, mit der man den Inhalt der Pappkartons ermitteln kann. Ich finde die Sache mit den Nummern reichlich überflüssig, habe es bisher aber geschafft, meine Klappe zu halten.
„Ich hab dich vorhin extra gebeten, die fertigen Kartons zu beschriften und zu notieren, was drin ist. Warum zum Teufel machst du das nicht?”
„Weil es kompletter Blödsinn ist.”
„Wie war das?” Sie dreht sich zu mir um und ihre Augen funkeln. Den Kopf hat sie leicht gesenkt: Angriffshaltung.
„Hör mal, Paula. Wir haben doch gar nicht so viel Zeug. Okay, wenn wir jetzt dreißig Kartons hätten, dann wäre das sinnvoll … aber bei zehn behalten wir auch so den Überblick. Und außerdem merkt man ja auch am Gewicht, ob da Bücher oder Klamotten oder sonst was drin ist. Das müssen wir doch nicht alles aufschreiben.”
Paula hat ihre Angriffshaltung aufgegeben. Jetzt sieht sie eher enttäuscht aus.
„Okay, vielleicht ist es Blödsinn. Aber du hast mir versprochen, dass du mitmachst. Mir ist es nun einmal wichtig, dass ich den Überblick behalte.”
Sie hat Recht, ich habe es versprochen. Ich gehe zu ihr und streiche ihr durchs Haar.
„Tut mir leid. Hast du mich trotzdem noch lieb?”
Sie muss lachen.
„Mal einfach die scheiß Zahlen auf die Kartons.”
Wir umarmen uns und machen weiter. Okay, dann eben mit Zahlen. Als es an der Tür klingelt, ist alles gepackt. Paulas Vater ist da. Er hat einen großen Volvo-Kombi, da passt schon fast die Hälfte von unserem Zeug rein. Die Matratzen können wir aufs Dach binden, wir müssen nicht einmal einen Wagen mieten.
Ätzend ist nur das Hochtragen. Vierter Stock und ein Aufzug, dem nicht zu trauen ist. Aber wir sind zu fünft und so geht es doch recht schnell. Paulas Vater hilft mit und ein Bekannter von der Uni. Auch Herr Brandt ist zur Stelle und schleppt keuchend Kisten, Regalbretter und Blumentöpfe. Fast habe ich ein schlechtes Gewissen, ihm steht der Schweiß auf der Stirn und sein Schnaufen hört sich nicht gesund an. Zwischendurch muss er immer wieder Pause machen. Er setzt sich dann in seinen alten Mercedes-Kombi, macht das Radio an und raucht eine seiner Zigaretten. Einmal sehe ich zu ihm hinüber und er schraubt gerade einen mit rotbraunem Leder überzogenen Flachmann zu. Als er mich bemerkt, lässt er das Ding auffällig unauffällig in seinem Auto verschwinden. Schnupftabak bietet er mir diesmal nicht an. Ob er gemerkt hat, dass Paula und ich ein Paar sind? Gerade trage ich eine Kiste mit Klamotten Richtung Eingang, als er nach mir ruft. Er sitzt wieder in seinem Auto.
„Fräulein Pander … hallo, Fräulein Pander, ich muss mit Ihnen und Ihrer Mitbewohnerin dann noch alles durchgehen … also wegen den Kontrollgängen und den Formularen.”
„Ich komm sofort zu Ihnen. Ich trag' nur noch schnell die Kiste hier hoch.”
„Soll ich noch was helfen?”
„Nein danke, Sie haben uns schon sehr viel geholfen.”
Er protestiert nicht. Er ist froh, dass er auf seinem Hintern sitzen kann. Und ich bin ganz froh, dass er in seinem Auto bleibt. Der gute Mann sah gerade überhaupt nicht gut aus, wie kurz vor dem Herzinfarkt. Typisch Kerle: Machen lieber weiter und riskieren ihre Gesundheit, anstatt mal zuzugeben, dass sie nicht mehr können.
Als ich mit meiner Klamottenkiste in die Eingangshalle trete, kommt mir Paulas Vater entgegen.
„Kannst du das mal nehmen?”, frage ich ihn, „... ich muss noch was mit dem Hausmeister besprechen.
„Klar, kein Problem.”
„Und kannst du bitte Paula runter schicken? Es geht um diese Rundgänge, die wir beide machen müssen.”
„Ich sag' der Kleinen Bescheid.”
„Danke dir.”
Ich bin die Kiste los und gehe zu Herrn Brandt. Er hat einen Fuß auf die Straße gestellt und wischt sich mit einem roten Taschentuch die Stirn.
„Alles okay bei Ihnen?”
„Ja-ja, alles okay. Ich bin eben auch nicht mehr der Frischeste.”
„Jedenfalls vielen Dank für die Hilfe.”
„Kein Thema, junge Frau. Kommt Ihre Mitbewohnerin auch?”
„Die müsste gleich da sein.”
„Ja gut äh … dann geb' ich Ihnen schon mal die Blätter. Sie können sich auch rein setzen, da müssen Sie nicht stehen.”
Ich gehe um das Auto herum, Herr Brandt beugt sich rechts rüber und macht mir die Tür auf. Der Sitz, in den ich mich fallen lasse, ist so durchgesessen, dass ich die Federn nicht nur höre, sondern auch spüre. Der alte Wagen wirkt ungemein speckig.
„Schaun Sie mal ins
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