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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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Badezimmer hat leider kein Fenster, das hängt mit der Form vom Haus zusammen.”
    Herr Brandt stapft durch den großen Raum Richtung Balkon, sein Pferdeschwanz steht ein wenig schief ab. Ist der gerade verrutscht? Wandert der ihm über den Hinterkopf?
    „Funktioniert alles”, sagt Herr Brandt und macht mit dem rechten Arm eine Bewegung, als würde er die Wohnung segnen. „Gestern alles noch mal nachgeschaut.”
    Ich gehe durch die Zimmer und trotz der vielen offensichtlichen Mängel – im Bad sind mehrere Fliesen gesprungen, das Linoleum hat Brandflecke, einige der Tapetenbahnen lösen sich ab, die Küchenzeile sieht aus, als könnte sie jeden Moment kollabieren – hält meine Begeisterung an. Wir hätten so viel Platz hier. Man könnte Autoscooter fahren in diesem großen Zimmer. Und endlich auch ein abgetrenntes Schlafzimmer, nicht nur eine scheiß Bettnische mit akustischem Anschluss ans Treppenhaus.
    „Na junge Frau, was sagen Sie?” Brandt hat die Balkontür geöffnet, steht halb draußen und halb drinnen und zündet sich eine filterlose Zigarette an. Hatte er vorhin nicht noch welche mit Filter?
    „Gefällt mir gut”, sage ich. „Ich müsste aber noch meine Freundin fragen.”
    „Ach ja, Sie machen WG.”
    „Ja, gewissermaßen.”
    Während Brandt seine Zigarette raucht, gehe ich ein weiteres Mal durch die Zimmer. Ich mache Fotos mit meinem Smartphone, für Paula. In dem grün gefliesten Badezimmer liegen noch ein paar Sachen des Vormieters: ein von getrocknetem Rasierschaum und Bartstoppeln verklebter Rasierer von Gillette, eine alte elektrische Zahnbürste und eine ungeöffnete Packung wasserfeste Heftpflaster. Ich strecke den Kopf aus dem Badezimmer.
    „Wer hat eigentlich vorher hier gewohnt?”
    Herr Brandt nimmt hustend seine Zigarette aus dem Mund. Fast lässt er sie fallen.
    „Ein älterer Herr. Der ist vor ein paar Wochen hier raus, hat alles da gelassen. Ein Kollege von mir hat so 'nen Laden, wo er alte Sachen verkauft. Der hat das mit mir zusammen ausgeräumt. Wenn Sie noch was finden, dann können Sie das gerne behalten.”
    Wasserfeste Heftpflaster gratis. Jippi!
    Ich verlasse das Bad und gehe Richtung Balkontür. Ich spüre den Luftzug. Brandt wirft seinen Zigarettenstummel auf den Betonboden des kleinen Balkons und tritt ihn aus. Ein bisschen nehme ich ihm das übel, anscheinend betrachte ich diese Wohnung schon als meine Wohnung. Der Hausmeister bemerkt meinen Blick und hebt den Stummel auf.
    „Tschuldigung, junge Frau. Dat is Gewohnheit.”
    Er schnippt den Stummel vom Balkon und hustet seinen Raucherhusten. Es hört sich an, als stecke etwas in ihm fest.
    „Jetzt würd ich Sie noch rumführen und Ihnen das Haus zeigen. Dann kann ich Ihnen auch sagen, was so Ihre Aufgaben wären.”
    Wir verlassen die Wohnung und Herr Brandt schließt ab. Der runde Flur ist mit orangebraunem Teppich ausgelegt, er sieht alt und verbraucht aus. Neben einer der Türen ist eine Delle in der Wand. Sieht aus, als wäre jemand mit dem Kopf dagegen gerannt. An den Wänden hängen mehrere Strohbilder: Landleben, Bauernfamilien bei der Feldarbeit. Auf den einzelnen Strohhalmen liegt feiner grauer Staub.
    „Also … dat Haus hat ja sechs Stockwerke und dreißig Wohnungen. Sie müssen einmal täglich durch jedes Stockwerk ...” Ich laufe hinter Herrn Brandt Richtung Treppenhaus „... und einfach schauen, ob alles normal aussieht … also ob die Türen alle zu sind und nicht irgendwelche Flaschen oder so rumliegen. Sie kriegen auch 'ne gute Taschenlampe von mir, falls Sie abends unterwegs sind. Leider hatten wir das schon, dass Jugendliche eingebrochen sind und hier gefeiert haben ...” Ich steige hinter Herrn Brandt die Treppen hinunter. Sein Pferdeschwanz hat immer noch Schräglage. Am liebsten würde ich ihn packen und gerade rücken. „... wenn Sie mitbekommen, dass Leute im Haus sind, dann rufen Sie direkt die Polizei, Sie müssen gar nicht mit denen reden. Sie rufen einfach die Polizei.”
    „Muss man da wirklich gleich die Polizei ...”
    „Ja, natürlich”, unterbricht mich Herr Brandt. Er wirkt ein wenig empört. „Das ist immerhin Einbruch. Und außerdem wissen Sie ja nicht, wie die reagieren. Sie wissen ja nicht, was das für Leute sind. Wir hatten das auch schon, dass sich hier Penner einquartieren wollten. Apropos: Sie müssen immer darauf achten, dass unten der Eingang abgeschlossen ist. Also wenn Sie unten aus dem Haus gehen, dann schließen sie zweimal ab, nicht einfach nur die Tür

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