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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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wir in der Vertikalen, schon sind wir zur Tür heraus. Ich habe die Schlüssel und den Protokollzettel, Paula die fette schwarze Stablampe. Das Ding steht ihr gut und wahrscheinlich weiß sie es. Es ist die Art, wie sie es hält.
    „Müssen wir eigentlich jede Tür einzeln ausprobieren, oder nur schauen, ob die zu sind?”
    „Ich glaube kaum, dass wir jede Türklinke drücken müssen”, antworte ich, „da wären wir ja ewig unterwegs. Das hat er auch nichts gesagt von, der gute Herr Brandt. Ach übrigens: Hast du gesehen, wie fertig der war? Ich dachte, der kriegt gleich 'nen Herzinfarkt.”
    „Kein Wunder, der raucht ja alle zehn Minuten 'ne Zigarette. Hast du schon mal einen gesehen, der so viel raucht?”
    „Ich glaube, der schluckt auch ganz gerne“, antworte ich.
     
    ***
     
    Kurz vor elf sind wir fast durch. Wir sind einmal draußen ums Haus gelaufen und Paula hat den Strahl der Lampe auf die Fenster gerichtet. Zumindest so lange, bis ihr einfiel, dass wir nicht alleine in dem Haus wohnen und dass es unhöflich ist, nachts in fremde Fenster zu leuchten. Wir sind von unten nach oben durch jedes Stockwerk gegangen, Paula hat den Knopf für den Aufzug gedrückt und er kam auch. Hinein getraut aber haben wir uns nicht, in dieses mit rotem Samt gepolsterte Maul, das uns da angähnte. Wie sagte Herr Brandt: Dem Ding ist nicht zu trauen.
    Nun sind wir ganz oben, sechster Stock. Ein runder Flur wie die anderen auch … einer von denen ohne Strom, ohne Beleuchtung. Fünf seit kurzem oder seit längerem verlassene Wohnungen … und wir haben den Generalschlüssel.
    „Gib mal her”, sagt Paula und greift nach dem Schlüsselbund. Ich zögere einen Moment, dann gebe ich ihn ihr. Sie schaut sich mit gerecktem Kinn um … als würde sie das Angebot abschätzen. Dann geht sie zu einer der Türen.
    „Musst du aufs Klo oder was?”
    „Nö.”
    Paula schließt die Tür auf und leuchtet mit der Taschenlampe in den Raum dahinter. Ich stehe im Halbdunkel und mir ist kalt.
    „Scheiße. Leer.”
    „Was hast du erwartet? Kaltes Buffet?”
    „Keine Ahnung. Irgendwas Interessantes.” Sie schließt die Tür ab und geht zur nächsten. Ich stehe hinter ihr und weiß nicht, was ich von der Sache halten soll. Manchmal ist sie wie ein neugieriges Kind.
    „Was hoffst du zu finden, meine Süße?”
    „'Ne Schatztruhe”, antwortet sie.
    Paula dreht den Schlüssel im Schloss.
    „Oder 'ne Pornoheft-Sammlung.”
    Sie öffnet die Tür.
    „Nicht dass irgendwas aus der Wohnung springt und dich beißt”, sage ich.
    Paula leuchtet in den dunklen Raum.
    „Hier ist was. Komm mal her.”
    Sie schlüpft in die verlassene Wohnung und ich stehe alleine auf dem nur noch vom Mondlicht erhellten Flur. Mir kommt der Gedanke, dass ich einen ziemlichen Schreck kriegen würde, würde sich jetzt aus dem Dunkel hinter mir eine Hand auf meine Schulter legen, eine kleine, kalte Kinderhand … oder eine Große mit scharfen Krallen. Aber es gibt keine Geisterhände, die sich einem im Dunkeln auf die Schulter legen, die einem nachts über den Kopf streicheln oder die plötzlich unter dem Bett hervorkommen und einen an den Knöcheln packen, wenn man die Füße auf den Boden stellt. Ich habe überhaupt keinen Grund, mich zu beeilen. Nur ein klein wenig schneller als normal folge ich Paula in die fremde Wohnung. Durch die halb geöffnete Tür schlüpfte ich ins Helle.
    „Schau dir das mal an.”
    Paula hat die Taschenlampe auf den Boden gestellt, sie leuchtet Richtung Decke und die weiße Decke reflektiert das Licht. Es wirkt seltsam kalt, es erinnert mich an die Nachtbeleuchtung in einigen der langen Krankenhausflure. Noch drei Wochen werde ich im Schlaflabor arbeiten, in vier Wochen fängt dann das nächste Semester an.
    Paula hält in beiden Händen einen flachen Holzkasten. Die Vorderseite besteht aus einer Glasscheibe und in dem Kasten ist etwas Glänzendes, aus der Entfernung erkenne ich es nicht. Ich gehe näher heran und sehe, dass der Kasten voller aufgespießter Insekten ist. Große, grünlich schillernde Käfer mit langen Fühlern, die wie kleine braune Äste aussehen. Einigen der Käfer wurden die Flügel gespreizt und mit Stecknadeln fixiert. Ich wende halb den Kopf ab und ziehe die Augenbrauen hoch.
    „Was ist?”
    „Ich find' das eklig”, antworte ich. „Die ganzen toten Viecher.”
    Paula dreht den Kasten um, sieht sich die Käfer an.
    „Ist doch irgendwie auch hübsch … schau mal die Farben, die sind noch total kräftig. Als ob

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