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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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kommen sie ja noch, die Alpträume. Entschuldigen Sie die Verspätung Frau Pander, aber jetzt sind wir ja da. Viel Vergnügen! Ich muss mal fragen, wie es Herrn Schlechter geht. Es hieß ja, dass er in stabilem Zustand ist. Hoffentlich hat er keinen weiteren Versuch unternommen, sich das …
    Paulas Stimme durchbricht den Strom meiner Gedanken.
    „Wahrscheinlich habt ihr euch nur auf dem falschen Fuß erwischt. Vielleicht ist die nur misstrauisch … oder sie hat sich einfach geärgert, dass du sie in dieser hilflosen Situation gesehen hast.”
    „Nein, das was irgendwas anderes.”
    „Lass uns mal in ein paar Tagen zusammen hingehen, ich will ja auch wissen, wie dieser Brokkoli-Kuchen schmeckt.”
    „Kohlrabi-Kuchen”, korrigiere ich.
    „Noch besser.”
    Paula steht auf, streichelt mir über den Kopf und latscht Richtung Badezimmer.
    „Ich geh mal Zähneputzen, bin müde wie Sau.”
    „Okay … wenn du müde wie Sau bist, dann solltest du besser Zähne putzen. Ich schau noch 'n bisschen Fernsehen.”
    „Hast du eigentlich unten abgeschlossen? Also die Eingangstür?”
    „Oh Scheiße … keine Ahnung ob die zu ist.”
    „Kein Problem, ich geh schon.”
    Paula schnappt sich den Schlüsselbund und schon ist sie zur Tür hinaus. Hatte sie nicht gerade noch gemeint, sie wäre müde? Es vergeht kaum eine Minute und sie ist schon wieder da. Ich höre hinter mir die Wohnungstür und das Rasseln der Schlüssel.
    „Alles dicht!”
    „Bist du gerannt? Du warst total schnell.”
    „Ich hab' den Aufzug ausprobiert.”
    „Scheiße Paula, muss denn das sein? Der Herr Brandt hat doch extra gesagt, dass wir den nicht benutzen sollen. Wahrscheinlich ist das alte Ding seit Jahren nicht gewartet worden. Du hattest nicht mal dein Handy dabei. Du hättest mich nicht mal anrufen können, wenn das Ding gestreikt hätte.”
    „Jetzt stell dich nicht so an, ist ja nichts passiert. Sei nicht so verdammt langweilig.”
    Darauf sage ich nichts. Sie soll merken, dass sie zu weit gegangen ist.
    „Tut mir leid, dass ich das gesagt habe, war nicht so gemeint. Kommst du mit ins Bett?”
    „Nee, ich schau noch ein bisschen.”
    „Bist du jetzt sauer?”
    „Nein, bin ich nicht. Ich komm gleich nach.”
    Natürlich bin ich sauer. Und natürlich hat sie es an meinem Tonfall bemerkt. Aber ich habe keine Lust, die Sache auszudiskutieren. Ich will nur vor dem blöden Fernseher sitzen und meine blöde Ruhe haben. Machen wir also morgen weiter. Als ich eine halbe Stunde später Paulas leises Schnarchen höre, da öffne ich die Balkontüre, gehe hinaus in die Dunkelheit und ziehe kühle, klare Luft ein. Manchmal ist es verdammt schwer, den zu lieben, den man liebt.

Zeit vergeht
     
    Zehn Tage seit unserem Einzug. Die Wohnung ist eingerichtet, die Rundgänge durch das fast leere Haus sind Routine geworden, und von dem Geld, das wir bei der Miete sparen, werden wir in einigen Monaten 'nen richtig fetten Urlaub machen: Drei Wochen USA, im Mietwagen von New York runter nach Miami und dann weiter nach New Orleans. Jede Nacht in einem anderen Motel.
    Die Familie, die bei unserem Einzug unten im Haus gewohnt hat, ist mittlerweile ausgezogen. Sie haben uns nicht Bescheid gesagt, wir haben es durch einen Anruf Herrn Egners erfahren. Hätte der sich nicht gemeldet, hätten wir wahrscheinlich überhaupt nicht gemerkt, dass die Idioten weg sind. Nun wohnen nur noch wir und die alte Frau Diehl in dem großen, verdrehten Haus. Zweimal täglich kommt der Pflegedienst zu ihr, aber davon bekommen wir nicht viel mit. Die haben ihren eigenen Schlüssel und schließen wieder ab, wenn sie gehen.
    Vor drei Tagen waren ich und Paula zusammen bei Frau Diehl, bei unserer einzigen Nachbarin. Die alte Frau bemühte sich, freundlich zu sein, tischte uns Kaffee und, diesmal kein Kohlrabi-Himbeer-Kuchen, Plätzchen auf. Wir waren fast eine Stunde bei ihr, so schwerhörig ist sie überhaupt nicht. Wenn sie etwas verstehen will, dann versteht sie das auch. Und wenn nicht, dann eben nicht. Der Besuch war nicht unangenehm, überhaupt nicht. Aber ich hatte die ganze Zeit über den Eindruck, dass hinter ihrer Freundlichkeit noch etwas anderes steckt, etwas Bitteres, Dunkles, ich kann es nicht besser ausdrücken, eine Art Ekel. Vielleicht hat sie chronische Schmerzen, vielleicht leidet sie, wie übrigens viele alte Menschen, an einer Depression. Glücklich jedenfalls ist diese Frau nicht, da bin ich mir sicher.
    Im Schlaflabor habe ich nur noch wenige Tage, bald fangen

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