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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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geholfen haben.” Wir sind auf dem Nachhauseweg und Paula ändert gerade ihre Meinung zum Thema Housewarming.
    „Dann müssten wir aber auch diesen Herrn Brandt einladen”, antworte ich.
    Paula grinst mich an. Wir sitzen uns in der Straßenbahn gegenüber, zwischen uns liegt eine leere, mit Mayonnaise verschmierte Burger-Schachtel von McDonalds.
    „Klar, den laden wir auch ein. Wir geben dem was zu trinken und schauen, was er anstellt.”
    Ich bin wenig begeistert von der Idee … obwohl ich den Alkohol spüre. Noch habe ich die Kontrolle.
    „Der räuchert uns die ganze Wohnung ein. Der hält es doch keine zehn Minuten ohne Zigarette aus. Ich hab sogar gesehen, wie er sich die neue Zigarette an der alten angesteckt hat.”
    Paula muss lachen.
    „Dann stellen wir ihn eben auf den Balkon.”
    „Und wenn der runterbricht, der Balkon?”
    „Wir können den Herrn Brandt ja irgendwie festbinden, an der Balkontür oder so.”
    Wir sitzen uns gegenüber, schauen uns in die Augen und grinsen uns an. Mein Grinsen geht in einen kleinen Lachanfall über. Als unsere Haltestelle kommt, da springt Paula auf, kickt die Burger-Schachtel weg und drückt den Knopf, der höchstwahrscheinlich „Türöffnungsknopf” heißt. Ich finde öffentliche Knöpfe immer ein bisschen eklig ... wer da alles dranfasst. Da kleben bestimmt auch Leute Popel dran.
    Die Nachtluft ist angenehm. Wir schließen unsere Fahrräder auf und fahren die Georgstraße entlang. Weil ihr Rücklicht kaputt ist, fahre ich hinter Paula.
    Kurz vor halb zwölf sind wir in unserer Wohnung und Paula geht direkt ins Bett. Ich setze mich vor den Fernseher und sehe mir auf einem der hinteren Sender eine dieser fiesen Zeichentrickserien für Erwachsene an. Als Werbung kommt, schalte ich aus, latsche ins Bad, putze meine Zähne und gehe zu Paula. Ich lege mich neben sie, küsse den Flaum in ihrem Nacken und wickle mich in meine Decke. Der Schlaf kann kommen … und kommt doch nicht. Stattdessen werde ich unruhig, nervös. Ich merke, dass ich mit dem rechten Fuß wippe, meine linke Hand macht Bewegungen, als würde sie Teig kneten. Der Nachteil dieser fast gespenstischen Ruhe ist, dass einzelne Geräusche nicht im Hintergrundrauschen untergehen. Spitz und plötzlich sind diese Geräusche, jedes Knacken in den Wänden versetzt meinem Herzschlag einen Arschtritt, jedes Summen irgendeines verdammten Insekts bringt mich zur Weißglut. Vielleicht sollte ich mich wieder vor den Fernseher setzen und versuchen, mich ein bisschen zu langweilen. Ich drehe mich auf den Bauch, umarme mein Kissen, halte die Hand ruhig und denke nach.
    Wahrscheinlich liegt meine Nervosität einfach an den drei Gläsern Rotwein, die ich getrunken habe. Vom Alkohol werde ich immer erst müde und dann aufgedreht. Das war schon so, als ich mit 15 oder 16 meinen ersten Rausch hatte. Auch jetzt bin ich ein kleines bisschen betrunken, nur eine Ini-Mini-Winzigkeit. Vorhin in der Straßenbahn, da habe ich es deutlicher gemerkt, da habe ich mir ganz dringend gewünscht, es würde weniger schaukeln … und zugleich wusste ich, dass dieses Schaukeln nicht nur von der Straßenbahn kam.
    Während ich über den Energiegehalt von Alkohol nachdenke, werde ich ruhiger, liege ganz still und höre das langsame, gleichmäßige Atmen der Frau an meiner Seite. Müde bin ich, geh zur Ruh, schließe meine Augen zu … wo kommt denn plötzlich das Kindergebet her, das unsere Eltern immer mit mir und meinem Bruder gesprochen haben? … Vater lass die Augen dein … über … mei … nem … Bettchen . . . . . . . . sein.
     
     

Dass ich eingeschlafen bin, das merke ich daran, dass die Digitalanzeige des Radioweckers 2:37 zeigt. Zeit ist vergangen ohne dass ich es gemerkt hätte. Ich dachte, der wäre kaputt, dieser Wecker mit den großen, eckigen Ziffern, die das ganze Zimmer rot färben. Ich dachte, wir hätten den überhaupt nicht mehr.
    Ich stehe auf, trete auf eine dieser grotesk großen Fliegen, die sich in unserem Schlafzimmer verabreden, um hier ihre kleinen Löffel abzugeben, und schlurfe mit halb geschlossenen Augen und hängendem Kopf Richtung Klo. Ich bin noch gar nicht richtig da, mir ist, als würde ich über Pudding laufen, über diese Haut, die sich auf dem Pudding bildet, wenn man ihn kalt werden lässt. Aber es geht, irgendwie geht alles. Als ich fertig bin, als ich mir unter einem viel zu kalten und viel zu harten Strahl (sind da kleine Eissplitter drin?) die Hände wasche, da höre ich wieder etwas, ganz

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