Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
was?”
„Nein”, stammle ich, „keine Drogen … ich wollte doch nur zu den Insekten.”
Paula zieht mich hoch und setzt mich auf den Badewannenrand. Ich protestiere, die Fliesen sind ja so schön kühl und diese blöde Badewanne ist aus irgendeinem stumpfen Plastik und Plastik ist nicht kühl. Aber Paula lässt mich einfach nicht zurück auf den Badezimmerboden, wird sogar wütend, schimpft mit mir wie mit einem kleinen Kind. ABER ICH BIN KEIN KLEINES KIND! Ich schließe ganz fest die Augen, wenn ich sie nicht sehe, dann ist sie nicht mehr da. ABER SIE SOLL DOCH DA SEIN! SOLANGE SIE DA IST, KOMMT DAS GROSSE SCHWARZE TIER NICHT INS BADEZIMMER!
Das Rauschen von Wasser, eine Hand, die mich an der Schulter hält. Dann spüre ich etwas Schweres, Nasses auf meiner Stirn, mein Kopf geht nach hinten. Ich könnte die Augen ja wieder aufmachen … aber was würde ich dann sehen?
„Scheiße Lena, was ist los mit dir?”, fragt Paulas Stimme. Sie ist noch da. Es ist ihre Hand, die mich aufrecht hält. Oder ist Paulas Stimme nur ein Trick und das schwarze Tier beugt sich über mich?
Das Schöne an diesem Fernsehsessel, es ist ein altes, schon ein wenig verbrauchtes Möbelstück, darin saß schon mein Großvater, das Schöne an dem Sessel ist, dass er einen umschließt wie eine Hand. Man kann nicht herausfallen aus diesem gepolsterten Kerker, selbst dann nicht, wenn man null Körperspannung hat. Nicht einmal nach vorne kann man kippen, dazu ist die Lehne nicht steil genug. Ich stecke in staubiger Weichheit, auf meiner Stirn ein feuchter Waschlappen und vor mir die Frau, die mich hierher brachte und hier hinein setzte. Plötzlich kommt mir die Frage in den Sinn, ob ich in diesem Sessel wohl einen Sturz vom Dach des Hauses überleben würde. Ganz ernsthaft denke ich über diese Frage nach, bevor sie mir, so plötzlich wie sie kam, grotesk und gefährlich erscheint. Ich schiebe sie weg und achte auf meine Atmung. Fast bin ich wieder klar … und ein bisschen schäme ich mich.
„Was war denn das gerade?” Paula hat einen der Küchenstühle herangezogen, sitzt nur einen Meter von mir entfernt und schaut mich an.
„Ich habe keine Ahnung”, antworte ich. Es ist wahr, ich habe wirklich keine Ahnung, was eben mit mir los war. „Lass mich nur klar werden, einen kleinen Moment bitte.”
Ich spanne meine Muskeln, atme bewusst ein und wieder aus. Ich merke, dass ich Durst habe … meine Zunge fühlt sich so seltsam klein und hart an, ganz verloren in meinem Mund. Bin ich wirklich schon ganz da?
„Kannst du mir ein Glas Wasser bringen?”
„Okay … aber bleib bitte sitzen.”
Paula steht auf und holt mir ein Glas. Ich bleibe sitzen. Sie gibt es mir und es fühlt sich unheimlich schwer an. Ist alles schwerer geworden? Hat die Schwerkraft einen Gang zugelegt?
„Kannst du mir sagen, was das eben sollte?”
„Ich habe keine Ahnung”, wiederhole ich. „War ich draußen im Flur?”
Paula lehnt sich nach vorne, nimmt mir den Waschlappen von der Stirn und dreht ihn um. Die Kühle hilft mir, mich zu spüren, bei mir zu bleiben.
„Quatsch, du bist ins Bad gegangen und ich hab mich irgendwann gewundert, wo du bleibst. Und als ich dann was höre und nachsehen gehe, da liegst du auf dem Boden vor dem Klo und trampelst wie bescheuert gegen die Badewanne.”
„Hab' ich geschlafen?”
„Keine Ahnung, was du da gemacht hast. Du hattest jedenfalls die Augen zu. Hattest du einen Alptraum?”
Ich antworte nicht gleich, muss erst überlegen. Ich weiß nicht, ob es ein Alptraum war. Und wenn, dann war es ein Alptraum, wie ich nie zuvor einen hatte, nicht einmal als Kind.
„Bist du sicher, dass ich nicht draußen im Flur war?”
„Das hätte ich doch gehört. Du bist ins Bad, hast dich dort auf den Boden gelegt und gegen die Badewanne getreten. Du warst mit Sicherheit nicht draußen … das hätte ich auf alle Fälle mitbekommen.” Paula nimmt meine Hand. „Ich hab' mir echt Sorgen um dich gemacht. Ich dachte schon, du hast 'nen epileptischen Anfall oder so was in der Art.”
Ich versuche ein Lächeln. Anscheinend klappt es, Paula lächelt zurück. Vielleicht reagiert sie auch nur auf meinen unbeholfenen Versuch.
„Quatsch … das war nur ein total komischer Alptraum. Ich dachte echt, ich wäre draußen auf dem Flur, ich hab das wirklich für real gehalten. Normalerweise, wenn ich Alpträume habe, dann weiß ich eigentlich, dass ich träume.”
„Also ich weiß das nicht“, sagt Paula.
„Ach, keine Ahnung.
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