Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
Vom Netzwerk:
oder Angstzustände. Ich habe überlegt und es dann gelassen. Ich glaube einfach nicht, dass zwischen meinem nächtlichen Abenteuer und dem Selbstmordversuch, den ich auf dem kleinen grauen Monitor im Schlaflabor mit ansah, ein Zusammenhang besteht. So zart besaitet bin ich nicht, außerdem ist das mit Herrn Schlechter schon mehrere Wochen her.
    Eher habe ich die drei Gläser Wein im Verdacht, die ich an dem Abend getrunken habe. Vielleicht vertrage ich keinen Alkohol mehr, vielleicht bin ich aus der Übung. Oder war irgendwas mit diesen Tapas, die wir gegessen haben? Mir war ja auch ein bisschen schlecht, ich hatte ja so ein komisches Gefühl im Magen. Paula meinte schon, wir sollten das Restaurant verklagen. Aber die anderen haben das Gleiche gegessen und die hatten nichts … die sind nicht nachts aufgestanden, sind nicht ins Bad gegangen, um schlafend gegen die Badewanne zu treten. Ach, es bringt nichts, sich Gedanken zu machen. Ich habe die letzten sieben Nächte gut geschlafen und an meine Träume konnte ich mich nicht erinnern. Warum also grübeln?
    Seit ein paar Tagen gehe ich wieder zur Uni, ich besuche Vorlesungen und sitze in der Bibliothek über den Büchern. Medizin zu studieren, das bedeutet nicht zuletzt stumpfes, hartnäckiges Auswendiglernen. Damit hatte ich schon in der Schule Probleme, aber irgendwie geht es doch. Man darf seine Abneigungen nicht zu ernst nehmen und sie dadurch festigen.
    Jeden Tag macht eine von uns die Runde durch das große Haus, kontrolliert Türen und Fenster und malt mehr oder weniger gleichmäßige Kreuze in die Kästchen. Unten, in dem ehemaligen Restaurant, bin ich nicht mehr gewesen. Ich sehe nur immer nach, ob die Tür zu ist. Sollen sie doch in der Küche übernachten, ist mir egal. Ab und zu schaue ich oben vom Balkon runter und komme mir vor wie ein Jäger auf seinem Hochsitz. Gesehen habe ich aber nie, wie jemand in das Küchenfenster einsteigt. Vielleicht kommen die ja nicht jeden Tag zum Übernachten … oder sie schleichen sich ganz dicht an der Hauswand entlang.
    Paula und ich, wir verstehen uns gut. Ich wünschte mir nur, wir würden mehr zusammen unternehmen. Wenn ich von der Uni komme und Paula von der Ausbildung, dann kochen wir was und setzen uns vor den Fernseher. Für Anstrengenderes (z.B. Sex) sind wir zu müde. Manchmal komme ich mir vor wie die Hälfte eines alten Ehepaares:
    „Wie war dein Tag, Schatz?”
    „Gut, was kommt denn im Fernsehen.”
    „Moment, ich schau mal.”
    „Okay, ich mach das Essen von gestern warm.”
    Solche Begrüßungsgespräche haben wir tatsächlich schon geführt … und dann darüber gelacht. Immerhin.
    Ach ja: Die Wohnung ist fix und fertig eingerichtet, es stehen keine blöden Pappkartons mehr herum. Mir gefällt es gut, unser neues Heim, nur im Schlafzimmer fühle ich mich unwohl. Vielleicht liegt es an den toten Fliegen, das verdammte Zimmer ist der reinste Fliegenfriedhof, jeden Tag sammeln wir sechs, sieben Tiere ein und werfen sie zum Fenster hinaus. Manche sind so dick, dass man ihr Fallen bis nach ganz unten verfolgen kann. Ich habe keine Ahnung, was die Viecher anlockt und wieso sie ausgerechnet bei uns im Schlafzimmer verrecken. Weder stinkt es bei uns, noch liegt irgendwelcher Müll herum. Was für eine blöde Scheiße! Ich muss mal so ein Fliegengitter besorgen, dass man mit Klettverschluss am Fensterrahmen festmacht.
     
    ***
     
    Heute war ich bis kurz nach 17 Uhr in der Bibliothek, dann ließ die Konzentration nach. Gerade verlasse ich den Baumarkt und in meiner Umhängetasche trage ich eine federleichte Packung Fliegenschutz für 19,99 Euro, das Luxusmodell. Ich habe mich beraten lassen und die Verkäuferin riet mir dringend zu dem Markenprodukt, das ich jetzt nach Hause trage. Mit Ekel im Blick zeigte die solariengebräunte Dame in der Baumarkt-Uniform auf das günstige Konkurrenzprodukt. In ihrer von tausend Zigaretten geschwärzten Stimme lag gallige Verachtung:
    „Das taugt überhaupt nichts, das ist Mist. Wenn da mal ein bisschen Wind ist, dann fliegt Ihnen das weg. Wenn Sie da sparen, dann tun Sie sich keinen Gefallen. Glauben Sie mir, das taugt nichts.”
    Okay, habe ich eben einen Zehner mehr ausgegeben, was soll's.
    Ich steige aus der Straßenbahn, schließe mein Fahrrad auf und fahre nach Hause. Am Herbsthaus angekommen schiebe ich mein altes Damenrad in den verbogenen Ständer und schaue an der mit Rissen übersäten Fassade nach oben. Unsere Balkontür steht offen, Paula ist schon da.
    Ich

Weitere Kostenlose Bücher