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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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auch das war keine Einbildung. Dieses Kleid, das du aus dem Keller geholt hast, das war eines der Kleider, die ich in meinen Traum gesehen habe. Ich bin mir da fast hundert Prozent sicher.”
    Eine halbe Stunde später: Paula ist gegangen und ich bin allein, allein in der großen Wohnung. Sie hat mir noch einmal das Versprechen abgenommen, bei Dr. Strauss anzurufen. Sie denkt, dass ich nervlich angeschlagen bin … und okay, vielleicht hat sie ja Recht. Ich gehe meine Unterlagen durch, suche nach dem (sehr guten, sehr persönlichen) Zeugnis, das mir Dr. Strauss ausgestellt hat. Da müsste seine Durchwahl draufstehen. Ich finde die beiden Blätter und ja, oben rechts steht in kleiner, leicht geneigten Schrift die Telefonnummer.
    „Guten Tag, hier Glaser. Sekretariat von Doktor Strauss.”
    „Ja ähm … hallo Frau Glaser. Mein Name ist Lena Pander. Ich weiß nicht, ob Sie sich an mich erinnern, ich habe vor einigen Wochen bei Ihnen gearbeitet.”
    „Ja natürlich, Frau Pander. Was kann ich denn für Sie tun?”
    „Ich müsste mit Herrn Strauss sprechen.”
    „Darf ich fragen, worum es geht?”
    „Ähm … ich war vor ein paar Wochen dabei, als es auf der Station diesen Unfall … beziehungsweise diesen Selbstmordversuch gab. Ich hab' da schon einige Male mit Herrn Strauss darüber gesprochen … also auch darüber, wie es mir damit geht. Und ähm … also ich müsste ihn eben noch einmal sprechen.”
    Frau Glaser antwortet nicht. Ist sie unzufrieden mit dem, was ich gesagt habe? Will sie Details? Verdammt noch mal, sie soll mich einfach an Strauss durchstellen. Als sie immer noch nichts sagt, da lege ich nach:
    „Herr Strauss meinte, dass ich mich sofort bei ihm melden soll, wenn es noch irgendwas zu der Sache zu sagen gibt.”
    „Ach so, in Ordnung. Das ist nur momentan etwas schlecht, Herr Strauss ist auf einer Tagung im Ausland. Hier auf Station ist er erst wieder Montag.”
    Einen Moment flackert in mir der Verdacht auf, dass mir gerade eine Ausrede aufgetischt wird, dass Strauss in seinem unaufgeräumten Büro sitzt und sich von der Sekretärin unerwünschte Personen vom Leib halten lässt. Aber wieso sollte das so sein? Strauss hat mich ja fast angebettelt, mich bei ihm zu melden.
    „Und wann ist er wieder da?”, frage ich. Noch während ich die Worte ausspreche, fällt mir ein, dass Frau Glaser gerade schon gesagt hat, wann er wieder da ist. Ich bin echt nicht ganz auf der Höhe.
    „Wie gesagt, ab Montag. Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Frau Pander?”
    „Ja, alles okay. Ich melde mich dann Montag wieder. Schönen Tag noch.”
    „Danke, Ihnen auch.”
    Ich lege auf und weiß nicht, ob ich erleichtert sein oder mich ärgern soll. Jedenfalls kann ich Paula jetzt sagen, dass ich versucht habe, Strauss zu erreichen. Und dass er auf einer seiner Tagungen ist, da kann ich doch nichts für.
    Ich stelle das Telefon auf die Station und starre in die sonnendurchflutete Wohnung. Die Tür zum Schlafzimmer ist geschlossen und das ist gut so. Selbst jetzt, selbst bei Tageslicht, ist mir unwohl bei dem Gedanken, dieses Zimmer zu betreten … und genau deshalb betrete ich es. Ich lehne es ab, meiner Angst zu gehorchen.
    Ich öffne die Tür, ich gehe in das Zimmer, ich stelle mich exakt an die Stelle, an der vor etwas mehr als acht Stunden das große schwarze Tier stand. Obwohl es mir kalt den Rücken hinunterläuft (oder ist es hier tatsächlich kälter als im Rest der Wohnung?), bleibe ich fast eine Minute dort, in dieser nur einen halben Meter breiten Lücke zwischen Wand und Kleiderschrank. Ich bilde mir ein, dass gleich ein schwarz behaarter Arm aus der Wand kommt und mich am Handgelenk packt. Plötzlich habe ich Angst, dass etwas im Kleiderschrank ist … oder dass plötzlich die Schlafzimmertür von alleine zuschlägt. Ich stehe in dieser idiotischen Zimmerecke und durch meinen Schädel rauscht kiloweise Scheiße, die ich in irgendwelchen Horrorfilmen gesehen oder in irgendwelchen Stephen King-Romanen gelesen habe. Das mit der Tür, die von alleine zugeht, das war in Poltergeist … später dann in Paranormal activity … das ist nichts weiter als ein altes, komplett ausgelutschtes Horrorfilm-Motiv. Wie erbärmlich langweilig!
    Und dann ändern meine Gedanken ganz plötzlich ihre Richtung und ich begreife, dass es nicht die geringste Rolle spielt, dass das Zuschlagen irgendwelcher Türen schon in einer Million Filme gezeigt wurde. Trotzdem wäre es furchtbar, wenn genau das hier und jetzt passieren würde!

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