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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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Strauss gesprochen. Aber welchen Sinn würde dies ergeben? Hallo liebe Mieterin, Sie haben Ihre Miete nicht bezahlt. Aber einer unserer anderen Mieter, ein gewisser Herr Strauss, der am anderen Ende der Stadt wohnt und den Sie nicht kennen, der hat seine Miete wie immer pünktlich bezahlt, nehmen Sie sich diesen Herrn bitte zum Vorbild. Von ihm ist Geld eingegangen, von Ihnen nicht. … Scheiße! Das ergibt keinen Sinn, das ergibt einfach keinen Sinn!
    Ich klopfe an, es ist neun Uhr und ausnahmsweise ist Strauss` Tür geschlossen. Ich habe keinen Plan, ich werde einfach hineingehen, mich vor den mit Arbeit zugepackten Schreibtisch setzen und das erwarten, was auf mich zukommt. Ich werde mich überraschen lassen … auch von dem, was aus mir herauskommt, was ich erzählen werde.
    „Guten Morgen Frau Pander”, begrüßt mich Strauss. Er sieht aus wie immer, ein kleiner, fideler Mann mit Wohlstandsbäuchlein und breitem Lächeln im Gesicht. „Schön Sie wiederzusehen. Nehmen Sie doch Platz!”
    Die Hand, die er mir gibt, fühlt sich warm und trocken an. Ich weiß nicht, was ich von all der Freundlichkeit halten soll. Ich setze mich und wünsche einen guten Morgen. Und dann, als sich mein Hintern gerade erst in die gepolsterte Sitzfläche eingedrückt hat, bevor Strauss noch etwas sagen kann, bevor er weitere Freundlichkeiten in Stellung bringen kann, platzt es aus mit heraus. Die Worte kommen hastig, abgehackt aber bestimmt.
    „Herr Strauss. Ich habe zuerst eine Frage … und ich bitte Sie, mir diese Frage ehrlich zu beantworten. Zahlen Sie einen Teil unserer Miete?”
    Während ich die Worte spreche, erwarte ich, dass er mit Unverständnis reagiert, dass er mich gleich anschaut, als würde ich gequirlten Nonsens von mir geben. Aber Strauss' Gesichtsausdruck verändert sich nicht.
    „Ja.”
    Und dann, nach einer Pause von vielleicht vier Sekunden:
    „Ich denke, ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig.”
    Jetzt sage ich ja. Dieser Mann ist mir eine Erklärung schuldig, möglichst eine gute. Strauss lehnt sich in seinem Sessel zurück und holt tief Luft. Er schaut mir lange in die Augen, bevor er spricht.
    „Frau Pander, ich habe Sie während der Zeit auf unserer Station als sehr besonnene und intelligente Frau kennen gelernt. Ich möchte mich zunächst dafür entschuldigen, dass ich unehrlich zu Ihnen gewesen bin und dass ich Sie in eine möglicherweise schwierige Lage gebracht habe.”
    Strauss macht eine Pause und knetet seine Hände. An den mit kleinen braunen Flecken übersäten Händen, sie wirken älter als sein Gesicht, sieht man, dass Strauss bereits ins siebte Lebensjahrzehnt eingetreten ist. Trotzdem wirkt er fit, ich würde diesem kompakten Mann einen Kopfstand zutrauen.
    „Frau Pander, würden Sie einen Spaziergang mit mir unternehmen? Das Gehen regt meinen Geist an und das Gespräch, das wir beide nun führen werden, verlangt nach regem Geist.”
    Wir verlassen das enge Büro, Strauss sagt seiner Sekretärin, dass sie ihn entschuldigen soll, und dass er nicht weiß, wann er zurück sein wird. Sie schaut nur kurz von ihrem Monitor auf und murmelt ihr okay.
    Wir laufen durch grün-weiß gestrichene Krankenhausgänge, der Mann neben mir grüßt Patienten und Kollegen, macht kleine, ironische Bemerkungen, kommentiert den Zustand des Krankenhauses – „Das bricht hier demnächst alles auseinander. Gestern wollte ich eine Tür aufmachen und hatte den Griff in der Hand.” – und führt mich in einen Teil des großen Gebäudes, den ich nicht kenne. Es ist schön hier, an den Wänden hängen großformatige Landschaftsbilder und sogar die Rollstühle, die auf den Fluren herumstehen, sehen stattlicher und sauberer aus als die Exemplare im Rest des Krankenhauses. Die meisten haben sogar Fußstützen.
    Ich begreife: Hier liegen Privatpatienten und Kranke, deren Gebrechen Geld bringen, hier liegen die „Cash cows”, also die Leute, mit denen im Gegensatz zu den „Poor dogs” Gewinn zu machen ist.
    Strauss und ich betreten einen kleinen, von Bäumen beschatteten Innenhof. In der Mitte des Hofes ein Brunnen ohne Wasser und rundherum weiß lackierte Metallbänke. Zwei Männer in Bademänteln, einer mit Infusionsständer, der andere mit einem Hut auf dem Kopf, der so überhaupt nicht zum blassblauen Bademantel passt, spielen schweigend eine Partie Schach. Sie sitzen auf einer der vier Bänke, das Steckschachspiel liegt zwischen ihnen. Strauss und ich setzen uns auf die Bank gegenüber.
    „Frau Pander, ich

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