Vietnam
gebeutelten Menschen sehnten den Tag herbei, an dem der Krieg enden und die fremden Mächte abziehen würden. Die Dorfbewohner waren nicht mehr nur Zivilisten, sie wurden zu Feinden der amerikanischen Soldaten. Waren sie es doch, die dem Gegner Unterschlupf gewährten und Nahrung gaben. Und, so mutmaÃte das US-Militär, sicher war auch eine groÃe Anzahl der agilen Dorfbewohner mit der Waffe im Einsatz. Die im Dorf Verbliebenen, Junge und Alte, Bauern und Viehhirten â sie alle konnten Anhänger der FNL oder gar ein aktiver Kämpfer sein. So kam es zu unvorstellbaren Massakern in kleinen Dörfern. Es sind Bilder von Schlachtfeldern wie aus dem Mittelalter. Und die westlichen Fernsehzuschauer und Zeitungsleser waren sozusagen live dabei.
Die Zivilisten waren in den seltensten Fällen Kommunisten. Um sie zu hindern, den FNL-Kämpfern zu helfen, siedelten die Amerikaner ganze Dörfer in eingezäunte Wehrdörfer um.
Die Unterstützung dieser Vietnamesen für ihre Landsleute war jedoch nicht zu verhindern und konnte niemals unterbunden werden. Dies gilt auch für die Zerstörung der Nachschubwege, trotz massivem Einsatz von Napalm, Entlaubungsmitteln wie Agent Orange und B-52-Bombern.
Die Antikriegsbewegung
In Amerika begannen die ersten GroÃdemonstrationen gegen den Krieg. Nachdem Truppen der NVA im Februar 1965 Plei Ku besetzten und Amerika mit der Operation Flaming Dart und einen Monat später mit Rolling Thunder (s. S. 163 , Kasten) antwortete, reagierten die Kriegsgegner überall auf der Welt mit Demonstrationen. Bereits im April 1965 demonstrierten 25 000 Menschen in Washington für einen Abzug der Soldaten aus Vietnam. Martin Luther King schloss sich dieser Bewegung an und marschierte mit 100 000 Kriegsgegnern nach Washington. 1967 waren es bereits 200 000 Menschen, die den Krieg beendet sehen wollten. Immer mehr junge Amerikaner verbrannten ihre Einberufungsbescheide und verweigerten ihren Dienst in Vietnam. Auch Intellektuelle,wie Jean Paul Sartre, wandten sich gegen das aggressive Vorgehen Amerikas.
Dschungelwege und Tunnelsysteme
Immer mehr Menschen, darunter viele Frauen, engagierten sich tatkräftig für die Guerillakämpfer im Süden. Auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad transportierten sie Nahrung, Waffen und sogar schweres Geschütz bis an die Front. Wenn nicht dichter Blätterwald sie verdeckte, gruben sie Löcher. Bereits gegen die Franzosen hatten die Vietnamesen die Technik des Tunnelbaus erfolgreich eingesetzt. Jetzt entstand ein Tunnelsystem, in dem es Schulen gab und sogar Kinder geboren wurden. Die Bevölkerung hielt sich hier manchmal wochenlang auf, ohne Tageslicht zu sehen. In Gebieten wie Cho Lon konnte an nahezu jeder Stelle ein Eingang sein. Waren die Tunnel erst nur als Bunker zum Schutz vor Bomben und Gift gedacht, so wurden hier im Laufe des Krieges auch Gefechtsstellungen eingerichtet. Wie aus dem Nichts tauchten die Guerillakämpfer aus dem Boden auf und entschwanden wieder darin. Auch in den Wäldern und auf den Hügeln, den flexiblen Schlachtfeldern des Guerillakriegs, in dem es keine festen Fronten gab, brachte die Kunst der Vietnamesen, Waffen und sich selbst in Tunneln oder unter dem Dschungeldach zu verstecken, viele amerikanische Soldaten und Strategen um den Verstand. Das passende vietnamesische Sprichwort dazu lautete: âDie Wälder belagern den Feind, die Wälder beschützen den Soldaten.â Trotz aller Bombenangriffe konnten die Versorgungswege nie zerstört werden, da das Volk in kurzer Zeit wieder alles instandsetzte â die Moral und die Motivation der Vietnamesen konnten nicht gebrochen werden.
Der Ho-Chi-Minh-Pfad
Auch das nahezu 20 000 km lange Wegenetz dieses bekannten Pfads verlief unter dichtem Blätterdach und führte durch vietnamesisches, laotisches und kambodschanisches Territorium. Im Laufe des Ersten Indochinakriegs wurden diese Wege, die bereits seit Jahrhunderten bestanden, ausgebaut. Im amerikanischen Krieg ging dieser Ausbau weiter. Im Laufe der Jahre wurde der einst schmale Schmuggelpfad zu einem insgesamt 5500 km langen StraÃensystem ausgebaut: Fünf parallel verlaufende StraÃen waren durch 21 QuerstraÃen miteinander verbunden. Monatlich konnten über 10 000 t Kriegsgerät nach Südvietnam gebracht werden â nicht zuletzt dank der Unterstützung einiger Minderheitenvölker (s. S. 152 , Kasten), die die Umgebung besonders gut kannten und neben
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