Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Villa des Schweigens

Villa des Schweigens

Titel: Villa des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
Vom Netzwerk:
Laut aber sagte ich: »Wir können ihn ja fragen, ob er es in die Halle stellt. Oder mach du es doch einfach. Wo sind denn eigentlich alle? Ich habe gestern nur Benjamin gesehen.«
    »Keine Ahnung. Wir haben doch hier keine Meldepflicht.«
    Ihre schlechte Laune musste sie nicht an mir auslassen. Ich biss mir auf die Lippe und schob mich mit einem »Bis später« an ihr vorbei in mein neues Reich. Ich würde jemand anderen fragen, was die komische Frau gemeint hatte. Vor meinem Bett blieb ich kurz unschlüssig stehen. Hatte ich es heute früh wirklich so zerwühlt verlassen? Es sah fast aus ... als hätte noch jemand darin gelegen. Ich schüttelte sofort den Kopf, um diese absurde Idee zu vertreiben, machte es mir auf der Terrasse gemütlich und aß einen Joghurt. Die Sonne strahlte warm, der alberne Teufel warf bereits einen halben Schatten. Bei Tageslicht sah alles so friedlich aus. So harmlos. Zögernd näherte ich mich dem rot blühenden Busch. Hoffte ich auf verräterische Spuren, abgeknickte Zweige? Ich sah nach unten. Alles, was ich entdeckte, war ein Wurm. Die Blüten rochen überwältigend süß. Kurzentschlossen pflückte ich eine Handvoll ab. Ich würde sie dekorativ in eine Schale mit Wasser legen, das hatte ich mal in einem Restaurant gesehen. Ich gab es nicht zu, aber irgendwie hoffte ich, dass ich dadurch den leichten Grusel bei ihrem Anblick verlieren würde.
    Im Haus knallte etwas und ich zuckte zusammen.
    »... auf keinen Fall hier stehen bleiben«, hörte ich Claire brüllen.
    Jemand antwortete in ruhigem Ton. Claire verstummte schlagartig. Zurück in meinem Zimmer, öffnete ich neugierig die Tür. Das Rad stand immer noch da, in der Küche klapperte Glas oder Geschirr. Es klang aggressiv. Ich folgte dem Lärm, bemühte mich aber, neutral zu erscheinen. Eine Schale würden sie ja wohl haben.
    Zu meiner Überraschung war Stefan in der Küche und nicht Claire. Er füllte ziemlich genervt eine Kiste mit leeren Pfandflaschen.
    »Oh«, sagte ich nur.
    »Plünderst du den Garten?« Er deutete auf die Blüten, die ich an meine Brust gepresst hielt. Sie sahen bereits leicht zerfleddert aus.
    »Nö. Die sind nur so hübsch und ich wollte was für mein Zimmer.«
    »Ja. Schöne Blumen, nicht?« Einen Moment lang huschte etwas über sein Gesicht, irgendetwas, das ich nicht deuten konnte. Hatte er mir vielleicht die Blüte aufs Kopfkissen gelegt? Aber wieso sollte er so etwas tun?
    »Claire war sauer wegen dem Fahrrad im Flur«, lenkte ich schnell ab.
    »Das kann man wohl sagen. Claire ist ...« Er stockte, setzte dann erneut an. »Die soll sich nicht so haben. Und im Übrigen kann sie da sowieso nichtsmachen.« Er schmiss die letzte Flasche mit solcher Wucht in den Kasten, dass ich vor Schreck zusammenzuckte.
    »Wieso nicht?«
    Er grinste. »Weil das nicht mein Fahrrad ist. Schön wär's. Aber das gute Stück gehört Julius. Ich habe es nur für ihn von einem Freund abgeholt.«
    Etwas summte leise neben mir. Es kam von der Pizzaschachtel. Ich hob vorsichtig den Deckel hoch. Zwei grünliche, fette Fliegen hockten auf der eingetrockneten Käseschicht.
    »Igitt«, sagte ich und griff mit spitzen Fingern danach. »Das muss doch weg!«
    »Würde ich nicht machen«, sagte Stefan.
    »Was?«
    »Ich würde nichts wegschmeißen, was Julius gehört. Da ist er sehr eigen.«
    »Aber das Ding ist total vergammelt.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Darf ich mal kurz?« Er schob sich eng an mir vorbei, noch bevor ich zur Seite treten konnte.
    Julius war also nicht nur Besitzer einer Villa und eines schweineteuren Mountainbikes, sondern bestand auch darauf, dass niemand seine verschimmelte Pizza wegschmiss? Mich überraschte nichts mehr.
    »He, wart mal«, rief ich ihm hinterher. »Da war eine Frau nebenan, die hat so was Eigenartiges gesagt!«
    »Die alte Weber von links?«, kam es aus der Halle zurück. »Was wollte die denn?«
    »Irgendwas mit – Sie laufen ja schon wieder herum .«
    Er kam zurück. Musterte mich. »Sie laufen schon wieder herum?«
    »Die hat mich irgendwie verwechselt.«
    Er schien kurz zu überlegen. »Die ist nicht ganz dicht. Kannst du alles ignorieren.« Damit war er wieder draußen.
    Eine Schale war nicht aufzufinden. Ich warf die Blüten zurück in den Garten und überlegte, was ich mit meinem Zimmer anstellen sollte. Alle meine Sachen waren verstaut, das meiste hatte in den großen Schrank gepasst. Außer in die klemmende Schublade. Da steckten wohl noch Sachen von der schottischen Jette drin, ich

Weitere Kostenlose Bücher