Villa des Schweigens
zappte sich durch die Kanäle und kommentierte eine alberne Werbung für Katzenfutter, dass wir bald vor Lachen platzten. Und plötzlich warClaires Zimmer voller Leute. Benjamin tauchte auf, offenbar von unserem Gelächter angelockt, und zu guter Letzt saßen auch noch Stefan und Lauren bei mir unten auf dem Fußboden, obwohl sie eigentlich vorgehabt hatten, ins Kino zu gehen.
»Mensch, jetzt habt ihr mir die ganze Schokolade weggefressen«, schimpfte Claire, aber es klang nicht wirklich böse.
»Ach, tu doch nicht so.« Julius marschierte einfach zu ihrem Schreibtisch. »Ich weiß doch, dass du noch ganze Wagenladungen von Süßigkeiten hier drin hast.« Er riss eine Schublade auf. Sie war bis obenhin mit bunten Packungen vollgestopft.
Sieh mal an, Claire war also eine heimliche Naschkatze.
»Finger weg!«, rief Claire, lachte aber und blieb sitzen.
Jemand hatte ein paar Alcopops geholt und Julius war immer noch auf der Suche nach einem Programm.
»Das, das!«, rief Claire, als kurz eine Reportage über Möchtegern-Models aufflackerte, aber Julius stöhnte nur und zappte weiter. Ich überlegte inzwischen, ob ich mich irgendwo anders hinsetzen sollte, denn Lauren und Stefan rangelten herum und immer wieder stieß Stefan gegen mich. Er schien das ziemlich lustig zu finden. Doch da war es schon zu spät. Mit einem Klirren flog mein Drink um, rote Flüssigkeit ergoss sich auf den Boden.
»Mensch, pass doch auf!« Claire sprang auf und brachte schnell ihre Noten in Sicherheit.
»Tut mir leid.« Ich konnte merken, dass sie sauer auf mich war, dabei war es doch gar nicht meine Schuld. »Ich hol einen Lappen.« Damit war ich aus dem Zimmer.
»Neben dem Kühlschrank hängt eine Küchenrolle«, rief mir jemand nach. Ich ärgerte mich über mich selbst, dass ich sofort lossprang, während Lauren und Stefan weiter aneinander herumfummelten. Ich sollte etwas sagen. Andererseits wollte ich nicht so kleinlich wirken.
»Vielleicht können wir alle ein bisschen zusammenrücken«, begann ich, als ich wieder ins Zimmer trat. Aber keiner hörte mir zu. Sie starrten alle wie gebannt auf den Fernseher. Dort schlug ein Löwe seine riesige Pranke in ein panisch schreiendes Löwenbaby und biss ihm ins Genick. In Nahaufnahme. Ich hielt erschrocken die Luft an.
»Oh Gott«, sagte Lauren gerade.
»Ist ja brutal.« Stefan schüttelte den Kopf. Trotzdem blickten sie alle weiter auf das blutige Massaker vor ihren Augen.
»Das nennt man Infantizid«, bemerkte Julius. »Machen Tiere oft. Schweine fressen manchmal aus Versehen ihre eigenen Kinder, wusstet ihr das?«
»Das ist mir egal, das ist widerlich. Mach das weg!« Claire griff nach der Fernbedienung.
»Ja, echt, mach das weg. Das ist ja wie ein SnuffMovie.« Benjamin sagte selten was, aber wenn er es tat, hatte es Gewicht.
Julius schaltete gereizt den Fernseher aus.
»Kommt eh nur Scheiß. Ich geh wieder rüber. Tschüss dann.« Und schon war er weg.
»Gehen wir noch ins Kino?«, quengelte Lauren und zog Stefan am Arm. Die Stimmung war innerhalb von Minuten umgeschlagen. Schade, endlich war es mal lustig gewesen. Fast normal.
Bis eben.
Lauren und Stefan verschwanden auch, gingen aber offensichtlich nicht mehr aus dem Haus, denn ich konnte andauernd Laurens quiekendes Lachen hören.
»Mann, die beiden könnten auch mal die Lautstärke runterschrauben«, sagte Claire. Benjamin verdrehte die Augen und murmelte etwas Zustimmendes. Ich schwieg, aber im Stillen gab ich ihnen recht. Mein Handy klingelte. Nadja. Ich machte ein entschuldigendes Gesicht und ging raus, durch die nur spärlich beleuchtete Halle in mein Zimmer.
»Hallo, du Ausreißerin!«, begrüßte mich Nadja. Im Hintergrund klapperten Gläser. Wahrscheinlich rief sie vom Restaurant aus an. »Hast du schon alle Jungs in deiner WG um den Finger gewickelt?«
»Jetzt hör auf! Ich bin nicht so wie du!«
Sie lachte. »Vielleicht sollte ich mal vorbeikommen. Könnte mir gefallen. Mal weg von den ewigenSchnitzeln und Bratkartoffeln.« Sie stöhnte. »Ich sag's dir ... Auch noch bei der Hitze!«
»Ja klar, komm doch!«, sagte ich. »In meinem Zimmer ist genug Platz.«
»Das Zimmer ist mir doch egal«, sagte sie. »Ich schlaf auch auf dem Küchentisch, wenn's sein muss. Aber mal richtig einen draufmachen. Alleine! Mann, du weißt gar nicht, wie gut du es hast. Meine Eltern würden das nie erlauben und außerdem das scheiß Restaurant ...«
Im Hintergrund rief jemand nach ihr.
»Jaja«, murmelte sie. »Mach mal
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